Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
konnte sich endlich ausruhen.
Das Schlauchboot kam näher. Die Navy-Crew blickte zu Suarez und ihren Leuten herauf. Die Feindseligkeit, die in der Luft lag, war mit Händen zu greifen.
»Schaut euch diese Hemden an«, knurrte Lammockson. »Du meine Güte, die sind ja gebügelt.« Er schnupperte an seiner Achselhöhle, seine fleischigen Nasenflügel zuckten. »Ich will wirklich hoffen, dass sich das lohnt, Lily, ganz gleich, was für einen Handel Sie mit diesen Arschlöchern ausbrüten.«
»Oh, das wird es«, versprach Lily.
»Ich glaub’s einfach nicht, dass die immer noch diese verdammte Flagge führen. Ich meine, wie viele amerikanische Staaten haben auch nur noch ein Fitzelchen Land oberhalb der Wasserlinie? Sie sollten all diese Sterne rausschneiden, bis auf ein halbes Dutzend. Und was ist das für eine Navy, die nur noch ein einziges Boot hat?«
»Wir klammern uns alle an die Vergangenheit«, sagte Piers. Während Lammockson, der jetzt über siebzig war, im Alter zu einem runzligen, griesgrämigen Grobian nach Art des Walter-Matthau-Klischees zerschmolz, schlug Piers mit
Mitte sechzig die andere Richtung ein, dachte Lily; er hielt sich immer aufrechter, seine Sprechweise wurde immer schneidiger. »Wenn wir die Vergangenheit nicht mehr haben, was bleibt uns dann noch?«
Grace zog die sommersprossige Nase kraus. »Die Zukunft?«
Das Schlauchboot ging längsseits, und Lammockson kletterte, gefolgt von den anderen, die Strickleitern hinunter, um die Crew zu empfangen. Captain Suarez und Piers blieben an Bord und sahen zu, wie sie hinabstiegen.
Ein paar Kinder planschten um das Schiff herum; irgendwie hatten sie es geschafft, von der Arche ins Wasser zu gelangen. Die Navy-Crew beobachtete sie wachsam. Die Kinder sahen wie durchs Wasser gleitende Ottern aus, nackte, braune Wasserwesen, eine Spezies, die nichts mit den steifen, uniformierten Menschen im Schlauchboot gemein hatte.
Lammockson und Hammond schüttelten dem ranghöchsten Offizier an Bord die Hand. Und Lily umarmte Thandie. Im Gegensatz zu Lily, die das Gefühl hatte, dass ihre Jahre schwer auf ihr lasteten, schien Thandie keinen Tag gealtert zu sein - als hätte sie einen stabilen Zustand erreicht.
Die Crew teilte Schwimmwesten aus, und das Schlauchboot wendete und hielt auf das Ufer im Westen zu. Lily bemerkte, dass sie von ein paar weiteren Schlauchbooten des U-Boots begleitet werden würden. Ihr war klar, warum; die Gewässer in Ufernähe waren schwarz von Wasserfahrzeugen.
Thandie sah zur Arche zurück, zu Kapitänin Suarez. »Ich glaub’s einfach nicht, dass Nathan diese verdammte Frau angeheuert hat. Dass er sie zur Kapitänin gemacht hat! Im Wirbel wollte sie ihn versenken, und sie hätte es vielleicht sogar
geschafft, wenn die New Jersey nicht auf der Bildfläche erschienen wäre.«
»So ist Nathan nun mal«, sagte Lily. »Wenn er dich besiegt hat, assimiliert er dich. Das habe ich immer wieder erlebt.« Sie blickte zu dem mürrischen, fünfunddreißig Jahre alten Hammond hinüber, der steif neben Grace saß. »Selbst bei seinem eigenen Sohn.«
»Tolle Managementstrategie, sich mit Leuten zu umgeben, die einen Groll gegen einen hegen.«
»Ist irgendwie darwinistisch, glaube ich. Man muss stark sein, um in seiner Nähe zu überleben.«
Thandie nickte. »Na, bisher habt ihr das ja alle geschafft.«
»Ja. Aber Nathan wird nicht ewig da sein, und die Arche auch nicht. Und darum …«
Thandie legte ihre Hand auf die von Lily. »Ich weiß. Hör mal, ich habe mein Bestes getan, um alles zu arrangieren. Es besteht zumindest eine Chance, dass es klappt - mit etwas Glück, ein wenig gutem Willen und Vorstellungskraft auf allen Seiten. Wir werden einfach sehen müssen, wie es läuft …«
Beide verstummten, denn sie näherten sich dem Ufer.
Sie kamen irgendwo über den versunkenen Überresten der Stadt Pueblo herein. Im Westen schoben sich bereits Berge über den Horizont. Der Eisdecke beraubt, die sie noch vor ein paar Jahren besessen hatten, waren die Berge nun kahl und braun; die Schneegrenze befand sich inzwischen über ihren Gipfeln, eine rein theoretische Fläche in der Luft.
Während sie sich dem trockenen Land näherten, fuhren
sie zwischen den schwimmenden küstennahen Gemeinschaften hindurch. Die Schlauchboote rückten zum Schutz näher aneinander, und Angehörige der Crew standen auf, so dass man ihre Waffen sah, Pistolen und Schlagstöcke. Um sie herum trieben Boote und Fischkutter jeglicher Größe, dazu viele aus den
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