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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Vierteljahrhundert als Flüchtling wirkte sie erheblich älter und fühlte sich auch so. Alles weichte sich für sie auf, dachte sie manchmal, die Grenze zwischen Gedanken und Worten verschwamm. »Ich rede bloß wirres Zeug.«
    »Die Karte ist schon wieder im Eimer.«
    Lily sah auf den Bildschirm. Das Hauptbild zeigte eine aus Satellitenbildern zusammengesetzte Montage des Weststaaten-Archipels
mit einer darauf projizierten Umrisskarte der alten kontinentalen Küstenlinie; die Position der Arche war ein leuchtend grüner Fleck. Das System war immer noch ziemlich intelligent; wenn man auf den Bildschirm zeigte, öffneten sich kleine Felder, die erklärten, was man dort sah. Lily lernte, das komplexe Binnenmeer zu erkennen, das sich über der Großen Salzwüste gebildet hatte und Salt Lake City sowie einen großen Teil von Utah bedeckte, sowie das verschlungene Gewirr von Meeresarmen und Buchten, das aus der Überschwemmung des Colorado River Valley mitsamt Grand Canyon und allem entstanden war. Vom Weltraum aus gesehen, hatte das noch vorhandene trockene Land eine graugrüne Färbung, die Farbe dicht gedrängter Menschenansammlungen mit ihren Hüttenstädten und behelfsmäßigen Farmen. Es war ein seltsamer Gedanke, dass außer dieser Vielzahl von Inseln von der westlichen Hemisphäre nichts mehr übrig war als die sich nach Süden erstreckende Sierra Madre und ein Teil des Andenhochlands unten am Rückgrat von Südamerika. Die Bergketten im Norden und Süden waren wie Schatten der verschwundenen Kontinente.
    Die Kartenprojektion flackerte erneut, als die Prozessoren offline gingen und sich mühsam wieder einschalteten; nach Jahren der Hitze und der salzigen Seeluft wollten sie nicht mehr so richtig.
    Grace seufzte. »Warum sehen wir uns das eigentlich an? Karten sind doch eher was für Leute wie dich, die noch wissen, wie es früher mal war. Für die Kinder sind sie ohne Bedeutung.« Sie strich sich müßig über den leicht gerundeten Bauch.

    »Womöglich haben sie eines Tages ihre eigenen Karten«, sagte Lily. »Vielleicht von Meeresströmungen. Oder Wirbeln.«
    »Man braucht keine Meereskarte …«
    Ihr versuchsweises Gespräch brach ab.
    So etwas kam heutzutage häufig vor, hatte Lily bemerkt. Als wäre es zu heiß, um nachzudenken, zu sprechen, als wäre jedermann ständig erschöpft. Man redete ein bisschen, und dann ließ man es einfach bleiben. Ihre Gedanken lösten sich erneut auf und schweiften ab.
    Die Karte fing sich wieder. Die beiden saßen da und sahen schweigend zu, wie der tapfere grüne Punkt der Arche sich langsam ostwärts durch die tückischen Gewässer der Meerenge von El Paso schob.

89
    Die Arche ankerte ein paar Kilometer östlich der untergegangenen Städte Colorado Springs und Pueblo. Es war das übliche Prozedere - möglichst viel Abstand vom Ufer halten. So weit draußen konnten nur wenige aus dem tristen Haufen von Booten, Dschunken und Flößen, die jede Uferlinie heimsuchten, die Arche erreichen.
    Einen Tag nach der Ankunft der Arche stieg der Kommandoturm der New Jersey zügig aus den Wellen. Eine Fahnenstange wurde in die Luft gereckt, ein prächtiges Sternenbanner entfaltet. Ein Schlauchboot wurde zu Wasser gelassen und kam auf die Arche zu. Es brachte Offiziere und Matrosen mit frischen weißen Uniformen und Schirmmützen herüber. Lily war nicht überrascht, Thandie unter ihnen zu sehen; sie trug eine orangefarbene Schwimmweste.
    Als sich das Schlauchboot näherte, stand Lammockson mit Kapitänin Suarez, Piers, Lily, Grace und Hammond auf dem Promenadendeck. Ihre Overalls sahen so gepflegt aus, wie es die einzige verbliebene Wäscherei der Arche nur hinbekommen hatte. Lily warf Grace einen Blick zu. Ihr war, als müsste sie sie auffordern, sich die Arche noch ein letztes Mal anzusehen und auf Wiedersehen zu sagen. Aber sie wusste, dass sie kein Wort darüber verlauten lassen durfte, was heute passieren würde.

    Es war drei Jahre her, dass Thandie Lily und Manco im Wirbel aus dem Wasser gefischt hatte, und das Rendezvous der New Jersey mit der Arche, bei dem sie wieder an Bord des Schiffes gegangen waren, lag nun fast zwei Jahre zurück. Seitdem war Lily mit Thandie in Kontakt geblieben und hatte mit ihr einen vorläufigen Plan ausgeheckt. Es war ein Plan, von dem keiner der anderen, weder Lammockson noch Grace, auch nur das Geringste wusste. Doch wenn alles gutging, dachte Lily mit einem leichten Schauer der Erregung, würde am Ende des heutigen Tages alles vorbei sein. Und sie

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