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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Was ich meine, ist, ich fühle mit Ihnen.«
    »Sie versuchen zu helfen, das weiß ich. Ich hätte bloß nie erwartet, dass mein Leben einen solchen Verlauf nehmen würde.«
    Er lächelte gezwungen. »Wie alt sind Sie, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig? Ihr ganzes Leben liegt noch vor Ihnen, glauben Sie mir.«
    »Aber mein ganzes Leben wird von meiner Tochter bestimmt. Von einer Vergewaltigung . Als wären meine Füße an den Boden genagelt, und ich würde nie wieder irgendwohin gehen können.«
    »Ich bin sicher, so ist es nicht …«
    Helen hörte Schreie und blickte auf. Plötzlich stieg das Wasser auf der Straße, als wäre sie eine riesige, volllaufende Badewanne. Leute platschten in ihren Sommerschuhen und Sandalen umher und stiegen hastig Treppen empor, einige kletterten sogar auf die Flussmauer. Als das Wasser über die Radkästen der stehen gebliebenen Autos stieg, begannen die Alarmanlagen zu jaulen.
    Thurley zeigte auf etwas. »Schauen Sie, es kommt aus den Gullys.« Kanaldeckel waren durch den schieren Druck des Wassers, das blubbernd aus dem Boden quoll, angehoben worden. »Guter Gott, ich glaube, das ist eine Ratte!«
    Jetzt wurde das ferne Donnern lauter. Helen blickte stromabwärts. Und sie sah den Sturm kommen. Eine gewaltige, von weißem Schaum gekrönte Welle überspannte die Themse und raste auf die Hungerford Bridge zu. Wo sie vorbeikam, schossen Gischtfontänen über die Flussmauern.
Leute standen wie erstarrt und fotografierten die Welle; Helen sah die Tupfen von Blitzlichtern. Doch nun strömte das Wasser auch das Embankment entlang, ein Fluss auf der Straße, der parallel zur Welle verlief. Sie war immer noch ein gutes Stück entfernt, aber Helen wurde Zeuge, wie Menschen von den Beinen gerissen und stehende Autos wie Spielzeug beiseitegeschoben wurden, als wären sie vom Strahl eines mächtigen Wasserschlauchs getroffen worden.
    Auf einmal war dieser Tag der Überschwemmungen mehr als eine Unannehmlichkeit, mehr als eine bloße Störung des Alltagsgeschehens. Allem Anschein nach starben dort Menschen, direkt vor ihren Augen.
    Sie versuchte sich zu konzentrieren und einen klaren Gedanken zu fassen. Dann packte sie Thurley am Arm. »Kommen Sie. Wir müssen von hier verschwinden.«
    Er wirkte wie hypnotisiert. »Äh … richtig. Aber wohin?«
    »Zum Strand«, sagte Helen, die sich an die Worte ihrer Fahrerin erinnerte. »Dort entlang.«
    Sie eilten auf dem Embankment zurück und drängten sich durch die Menge. Kurz vor der Stelle, wo sie nach links in die Horseguards Avenue abbiegen mussten, erreichte sie das Wasser, eine knietiefe Woge. Es führte Abfall mit sich, Papierfetzen, Plastiktüten, Fastfood-Verpackungen, aber auch Ölschlieren und stinkendes Abwasser. Menschen klammerten sich an die Mauer, an Laternenpfähle, an gestrandete Wagen; andere wurden von den Beinen gerissen und kamen klatschnass und prustend wieder hoch. Selbst jetzt umfassten die Leute noch ihre Handys, anstatt sich mit beiden Händen festzuhalten; Helen sah überall die kleinen Bildschirme leuchten. Sie stemmte sich gegen die Strömung und arbeitete
sich vorwärts, als ginge sie mitten in eine Flutwelle hinein, aber sie und Thurley blieben auf den Beinen.
    Plötzlich stieg die Themse erneut stark an und ergoss sich in einem Sturzbach über die Flussmauer. Die Autos gerieten ins Rutschen, prallten gegeneinander, wie Felsbrocken in einem schnell fließenden Strom. Menschen schrien um Hilfe.
     
    Helen und Thurley schafften es in die Horseguards Avenue. Doch auch dort war ihnen keine Atempause vergönnt; das schwarze, schlammige, ölschlierige Wasser brandete ihnen hinterher, während sie sich durch die Menge kämpften. Helen war völlig erschöpft, als sie Whitehall erreichten, Thurley keuchte vor Anstrengung.
    Whitehall selbst war schon überschwemmt. Sie starrten auf einen weiteren Fluss, der von dem höher gelegenen Gelände im Norden kam, die Straße entlang auf sie zuschoss und die Menschen bis zu den Oberschenkeln erfasste. Er strömte an den hellen Sandsteinfassaden der imposanten Regierungsgebäude vorbei und ergoss sich in Baustellengruben.
    Thurley sah nach Süden, wohin das Wasser strömte. »Schauen Sie.« Er zeigte auf ein Polizei-Gummiboot, das gegen die Strömung ankämpfte. »Das ist Downing Street. Sie räumen den Regierungssitz.«
    »Ja.« Helen drehte sich um und blickte suchend nach Norden. Am Ende der Straße sah sie den Trafalgar Square; die National Gallery mit ihrer Treppe und ihren Säulen ragte wie

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