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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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eine Klippe empor. »Dort entlang, da kommen wir raus. Aber wir müssen gegen die Strömung ankämpfen …«

    Sie stapften stromaufwärts. Und sie waren nicht allein, auch andere hatten dieselbe Idee, kämpften sich die Straße hinauf oder kletterten an Zaunreihen entlang. Aber die Strömung wurde immer stärker.
    Thurley rutschte aus. Helen griff nach ihm und fiel selbst bäuchlings hin. Sie spürte, wie das trübe Zeug unter ihre Kapuze drang, ihre kurzen Haare durchnässte, in ihren Overall rann. Sie hielt den Mund fest geschlossen, weil sie sich an die Brühe erinnerte, die aus den Gullys emporgebrodelt war. Beinahe hätte sie es geschafft aufzustehen, aber dann fiel jemand gegen sie und drückte sie wieder unter Wasser, und sie konnte die Beine nicht unter den Leib bekommen. Sie merkte, wie sie über den Asphalt rückwärts glitt, und geriet in Panik. Sie würde nicht mehr aufstehen können, würde im meterhohen Schmutzwasser ertrinken.
    Dann packte sie eine starke Hand am Genick und zerrte sie auf die Beine. Tropfend stand sie vor einem Berg von einem Mann, T-Shirt, Shorts, tätowierte Arme, wie ein heruntergekommener Rugbyspieler. Bis auf die Haut durchnässt, hielt er tatsächlich eine Dose Lager-Bier in der linken Hand. Er glotzte sie lüstern an, fasste ihr mit der Rechten an die Brust und drückte zu. Sie wich angewidert zurück, und er stampfte lachend davon.
    Da war Thurley, triefnass. »Nicht gerade ein echter Held«, rief er.
    »Wichser«, fauchte sie. »Ich hoffe, er ertrinkt an seiner eigenen Kotze. Kommen Sie, machen wir, dass wir von hier wegkommen.«
    Helen war jetzt von Kopf bis Fuß klatschnass, das Flusswasser
stand in ihrem Overall. Mühsam stapften sie weiter. Sie kamen immer schwerer voran.
    Schließlich erreichten sie den Trafalgar Square. Die National Gallery und die alte Kirche von Saint Martin in the Fields auf der Nordseite des Platzes waren über dem Wasser, und Menschen standen oder kauerten auf den Stufen der Galerie. Auf dem Platz selbst bildete das dahinströmende Flusswasser einen See, der um die berühmten alten Brunnen plätscherte. Rundum strotzte es von Menschen, es mussten Tausende sein, die auf dem Platz umherwimmelten und die Vortreppe der Galerie emporstiegen. Helen sah keine Spur von der Polizei, keine Anzeichen ordnungsgemäßer Evakuierungsversuche. Sie blickte zu Nelson auf seiner Säule hinauf, der unerschütterlich die neuesten Schläge betrachtete, die seiner Stadt versetzt wurden.
    Thurley berührte sie an der Schulter. »Schauen Sie, da oben.« Er deutete zum Dach der National Gallery, das von einem grauen Teppich bedeckt war. Tauben, Abertausende von Tauben. »Sie haben etwas vom Strand gesagt, Miss Gray.«
    »Ja.«
    Er zeigte nach rechts. »Dort entlang.«
    Sie platschten durch das tiefer werdende Wasser, stolperten über eine Straße, vorbei an erloschenen Verkehrsampeln und liegen gebliebenen Wagen. Um sie herum waren Menschen, die sich verzweifelt in Sicherheit zu bringen versuchten.

18
    Eine weitere Landung des Hubschraubers, der zum Kadaver von London hinabtauchte, eine weitere Rettung, von der AxysCorp-Crew routiniert ausgeführt, diesmal eine Mutter mit Kind und Großmutter, die in Wapping festsaßen, einem Areal des alten Hafengebiets, in dem Eigentumswohnungen mit Blick auf den Fluss entstanden waren. Lily half, die Flüchtlinge in ihren Schalensitzen festzuschnallen.
    Der Rotor knurrte, als die Blätter in die Luft bissen, und der Chopper flog weiter stromaufwärts zum nächsten Einsatz. Die Maschine war schon fast voll - lauter alte Leute, Frauen und Kinder, die in silberne Notfalldecken gehüllt waren -, aber er würde weiterfliegen, bis ihm der Treibstoff ausging oder sein Fassungsvermögen erschöpft war. Wenn man die letzten Platzreserven nutzte, konnte er bis zu Hundert Flüchtlinge aufnehmen.
    Lily blickte durch die offene Tür hinaus und sah ölschwarzes Wasser durch die Londoner Straßen, über die Plätze und in die Parks strömen. Der Fluss schien die Konturen der Schwemmebene zu erforschen, die ihm lange vorenthalten worden war. Überall flogen Hubschrauber herum wie geschäftige Insekten, sowohl die gelben Maschinen des Suchund Rettungsdienstes als auch Militärmaschinen - sogar Sikorskys, die von amerikanischen Basen gestartet sein mussten.
Wasserfahrzeuge aller Art, kleine private Motorboote, Schlauchboote, Gummiboote der Polizei und Rettungsboote, brummten um Häuser und Büroblocks, aus deren oberen Fenstern schlaffe Decken hingen.

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