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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ablassen, um weiter zu sinken. Der Abstieg würde eine motorisierte Tauchfahrt sein, bei der Lily das Boot mit Hilfe der lenkbaren Schrauben zu interessanten Stellen steuern würde.
    Wenn es Zeit zum Aufstieg war, würde der Außendruck so hoch sein, dass sie die Ballasttanks nicht wie sonst üblich mit Luft ausblasen konnten. Darum würde Lily einen Elektromagneten
abschalten, um den Eisenballast aus seinen Silos zu entlassen, und die Trieste würde sofort leichter werden als das Wasser und wie eine Luftblase emporsteigen. Es war ein narrensicheres Verfahren; wenn der Strom an Bord ausfiel, würde der Schrot sofort abgelassen werden.
    Die ganze Konstruktion stellte einen Fortschritt gegenüber den älteren Bathysphären dar, simplen Stahlkugeln, die an Trossen von Schiffen in die Tiefe hinabgelassen wurden wie Köder an einer Angelschnur. Die Trieste war eine frei fallende, selbstgesteuerte Super-Bathysphäre.
    Thandie klopfte gegen einen Tiefenmesser. »Wir sinken mit ungefähr sechzig Zentimetern pro Sekunde. Das ist so ziemlich das richtige Tempo, zwei Kilometer pro Stunde. Die Gipfel des Rückens liegen ungefähr zweieinhalb Kilometer unter der Meeresoberfläche, und die Basis des Mittelatlantischen Rückens liegt noch einmal dreieinhalb Kilometer tiefer. Ich hoffe, dass wir heute bis auf vier Klicks runterkommen - ein Abstieg von rund zwei Stunden.« Sie lehnte sich zurück und sah Lily an. »Also, willkommen in meiner Welt.«
    »Danke.«
    »Wir können uns jetzt ruhig entspannen.« Thandie stöberte im Proviantbeutel und brachte eine Thermoskanne zum Vorschein. »Wie wär’s mit Kaffee? Wir haben auch Schokolade. Man soll sie eigentlich aufsparen, bis man ganz unten ist, dann wird’s hier drin nämlich ziemlich kalt, sieben oder acht Grad, und man braucht den Zuckerkick. Aber ich sage immer: Scheiß drauf.« Sie zog eine Tafel Schokolade heraus, riss die Verpackung auf, zerbrach sie und gab Lily ein Stück.

    Die beiden saßen da, aßen gemütlich ihre Schokolade und tranken Kaffee, während der zügige Abstieg weiterging.
    »Ich bin froh, dass wir beiden das hier machen«, sagte Thandie kauend. »Wir haben nicht viel Zeit füreinander gehabt, du und ich, seit das alles angefangen hat. Aber mir kommt’s so vor, als würde ich dich schon ziemlich gut kennen. Ich sollte dir mal erzählen, was für Geschichten Gary über dich verbreitet, aus Barcelona.«
    »Nur zu«, erwiderte Lily vorsichtig.
    »Zum Beispiel, wie du dich mit dem Bewacher angelegt hast, der mit dem Ring an der Hand reingekommen ist, den er dir geklaut hatte.«
    »Ja. Die haben jedem von uns gleich zu Anfang irgendwelche Sachen weggenommen, kaum dass wir entführt worden waren. Das war mein Ehering. Aber um die Wahrheit zu sagen, ich war genauso sauer darüber, dass der Kerl ständig mit meiner Sonnenbrille auf der Nase rumstolziert ist.«
    Thandie lachte. »Und wie du dir selbst die Haare abgeschnitten hast, statt sie dir von denen abschneiden zu lassen.«
    »Ich hatte sowieso immer kurze Haare. Aber ich konnte es nicht ertragen, diese Leute an mir rumschnippeln zu lassen, verstehst du? Meine Haare waren das einzige Persönliche, was ich noch hatte. Also habe ich mich gewehrt, als sie mich kahl scheren wollten.« Was Lily eine Tracht Prügel eingebracht hatte und von Said die Drohung, sie mit einer abgebrochenen Colaflasche zu vergewaltigen. »Am Ende haben sie’s aufgegeben und es mir überlassen.«
    »Und wie du Gary aus der schlimmsten Situation rausgeholfen hast, in die er je geraten ist. Als er Durchfall hatte und
nicht aufs Klo durfte. Es sei nicht die Krankheit gewesen, meinte er, sondern die Scham vor den anderen.«
    Und darum hatte Lily ihr verblichenes T-Shirt hochgezogen, die Hose heruntergelassen und in die Ecke gemacht, genau wie Gary. »Meine größte Stunde«, sagte sie.
    »Tja, es hat funktioniert, du warst eine echte Freundin«, sagte Thandie leise. »Ich weiß nicht, ob ich das ertragen hätte. Nicht die Gefangenschaft selbst, sondern dass man nichts tun konnte.«
    Lily schwieg, wie neuerdings immer, wenn jemand ihr erklärte, wie er sich in Situationen verhalten würde, von denen er nichts wissen konnte.
    »Ich muss ständig was unternehmen«, fuhr Thandie fort. »Ich bin ein Mensch der Tat, verstehst du? Die Frustration würde mich wahnsinnig machen.«
    »Das geht jedem so. Wir haben alle unser Leben, unsere Familie, unseren Beruf vermisst …«
    »Ja, aber bei mir ist das extrem. Zum Glück war ich schlau genug, eine

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