Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
Stunden Ruhe finden.
Sobald sie Reykjavik und damit Nathan Lammocksons unmittelbaren Einflussbereich hinter sich gelassen hatten, übernahm es Gordo, einen Besatzungsplan für die Trieste aufzustellen, der den wissenschaftlichen Prioritäten entsprach und auch die Notwendigkeit eines turnusmäßigen Wechsels der Teams berücksichtigte, so dass jeder sich erholen konnte. Da auch Thandie und Gary fähig waren, die Trieste zu steuern, gab es Überschneidungen zwischen den Piloten- und Wissenschaftlergruppen, aus denen die jeweils zwei Personen starken Tauchteams - ein Pilot und ein Wissenschaftler - gebildet wurden. Das hatte zur Folge, dass Lily die Trieste erst beim vierten Tauchgang fahren würde. Gordo teilte ihr Thandie als Partnerin zu; taktvollerweise legte er seine Gründe nicht offen, aber da Thandie die erfahrenste Pilotin unter den Wissenschaftlern war, ergab seine Entscheidung durchaus Sinn.
Am festgelegten Tag ging Lily an Deck. Es war ein warmer, stürmischer Morgen, die Sonne verbarg sich hinter dicken
grauen Wolken. Sie hatten inzwischen ein Gebiet nicht allzu weit der Azoren erreicht, bei ungefähr vierzig Grad nördlicher Breite. Aber Lily trug wie Thandie warme Thermounterwäsche, Overall und Parka sowie eine aufblasbare Schwimmweste - allesamt AxysCorp-Produkte - und hatte eine russische Pelzmütze und Handschuhe in ihren Taschen verstaut. Man hatte ihr versichert, dass es dort, wo sie hinging, kalt sein würde.
Sie sah zu, wie Trossen an der Trieste befestigt wurden. Ein Kran hob das U-Boot in die Luft und schwenkte es über das Meer hinaus. Zweierteams von Bohrarbeitern zogen an Stahlseilen vorn und hinten, um es zu stabilisieren. Und Lily bekam das Fahrzeug, das nun gleich ihres werden würde, zum ersten Mal richtig zu sehen.
Die Trieste war ungefähr fünfzehn Meter lang. Mit ihrer gedrungenen, annähernd stromlinienförmigen Gestalt ähnelte sie einem konventionellen U-Boot. An beiden Enden befanden sich luftgefüllte Ballasttanks. Der größte Teil des Rumpfes bestand aus Auftriebskörpern - mit hunderttausend Litern Benzin gefüllten Tanks -, und Lily sah die unter dem Kiel hervorstehenden Auslassöffnungen der mit schwerem Eisenschrot gefüllten Ballastsilos. Die Schrauben waren am Oberdeck angebracht.
Unter dem eigentlichen Rumpf hing die Beobachtungsgondel - die Druckkörperkugel, in der Lily und Thandie mehrere Kilometer tief in den Ozean hinabtauchen würden.
Thandie kam in ihrer Schwimmweste auf Lily zugewatschelt. Sie grinste. »Na, Grünschnabel, alles klar?«
»Bereit, alles richtig zu machen.«
»Herrje, du klingst ja, als hättest du einen kleinen Haschmich. Es wird dir gefallen, glaub’s mir.«
In ihren dicken Rettungswesten kletterten sie unbeholfen eine stählerne Leiter zu einem orangefarbenen Schlauchboot auf der Meeresoberfläche hinunter, in dem ein Besatzungsmitglied auf sie wartete. Der Matrose brachte den Motor auf Touren, um sie die paar Meter zu dem Tauchboot hinüberzufahren.
Als sie die Trieste erreichten, rollte diese erschreckend hin und her, und das Schlauchboot tanzte ebenso stark auf den Wellen. Thandie stand ein wenig angeberisch auf, fand ihr Gleichgewicht und stieg den halben Meter zu dem Tauchboot hinüber. Lily, die mehr Wert auf Sicherheit als auf spektakuläre Aktionen legte, war froh, sich erst an der Hand des Matrosen und dann an der von Thandie festhalten zu können, während sie selbst auf das U-Boot übersetzte.
Dann wurden die Trossen gelöst, und das Boot tanzte frei in den Wellen. Sie winkten den Wissenschaftlern und Besatzungsmitgliedern an Deck der Endurance , die das Geschehen beobachteten, ein letztes Mal zu. Gordo entbot ihnen einen knappen militärischen Gruß, Gary stand neben ihm und sah schweigend zu. Lily kam es auf einmal sehr seltsam vor, sein vertrautes Gesicht hier zu sehen, mitten auf dem Ozean und unter Umständen, wie sie sich kaum stärker von ihrer langen Gefangenschaft in Barcelona unterscheiden konnten.
Kurz darauf kletterten Lily und Thandie durch den Zugangsschacht in die Gondel hinunter. Der Schacht verlief senkrecht durch den Rumpf des Forschungstauchboots, zwischen zwei Benzintanks hindurch. Lily hatte die Prozedur
während ihres Trainings mit Gordo mehrfach durchexerziert. Am Fußende des Schachts musste sie sich mit den Füßen voran durch eine Luke in die eigentliche Gondel hinunterlassen. Mehr als jeder anderen Komponente sah man der Luke das Alter des Tauchboots an; ihre Griffe waren von der
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