Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
Wasserspeichern. Und als du eine theoretische Quelle für den Anstieg des Meeresspiegels gesucht hast …«
»Habe ich sie einfach eingebaut.« Thandie grinste. »Die Daten sind mir praktisch in den Schoß gefallen. Dann ging es darum, die Wasserspeicher zu finden. Ich dachte mir, wenn das Wasser irgendwo freigesetzt wird, warum dann nicht hier, bei den mittelozeanischen Bergrücken, wo Material aus dem Erdinnern nach oben befördert wird?«
»Und darum sind wir nun hier.«
»Ja. Ich habe noch andere Daten bekommen, Diagramme des Salzgehalts, Temperaturanomalien und Konzentrationen diverser Verunreinigungen, die alle darauf hindeuten, dass hier am Meeresboden des Atlantischen Rückens irgendetwas geschieht - und ich glaube, auch entlang der anderen mittelozeanischen Rücken, obwohl ich keine brauchbaren Daten habe, die diese Annahme stützen. Eine tatsächliche Injektion von Wasser in die Tiefsee ist allerdings der unwiderlegbare Beweis.«
»Aber warum sollte dieses Tiefenwasser gerade jetzt freigesetzt
werden, nachdem die Erde schon Jahrmillionen auf dem Buckel hat?«
»Jahrmilliarden sogar … Nun, ich hoffe, das finde ich noch heraus. Aber im planetaren Maßstab ist das gar kein so dramatisches Ereignis. Die Erde ist wie ein Ei, weißt du. Der Kern ist der Dotter, der Mantel das Eiweiß, die Erdkruste die Schale. Ein Ozean, der die gesamte Landfläche bedeckt, müsste das dreifache Volumen der vorhandenen Meere besitzen - aber das wäre weniger als ein Prozent des gesamten Erdvolumens. Für uns wäre das ein gewaltiges Ereignis, obwohl dabei nur ein winziger Teil des Eiweißes auf die Schale austräte.«
»Klingt in meinen Ohren plausibel. Aber ich bin schließlich keine Wissenschaftlerin.«
»Du hast mehr Verstand als die meisten Holzköpfe im Weltklimarat, mit denen ich mich duelliert habe.«
»Warum können sie das, was du sagst, nicht akzeptieren?«
»Weil sie allesamt noch immer in generationenalten Diskussionen über den Klimawandel verfangen sind, mit dem der neue, überraschende Anstieg des Meeresspiegels nichts zu tun hat. Weil sie sich der Realität verschließen. Und das ist kein angenehmer Zustand.«
»Okay. Aber ich hoffe, dass sie recht haben und dass du dich irrst. Nimm’s mir nicht übel.«
»Tu ich nicht. Aber ich habe recht. Ich meine, jetzt habe ich den Beweis.« Thandies Augen waren geweitet. Lilys Vermutung traf also zu: Sie hatte nicht mit ihrem heutigen Fund gerechnet, und allmählich - vielleicht zum ersten Mal - dämmerte ihr, was das bedeutete. »Ich habe recht. Oh, Scheiße!«
Das Tauchboot erbebte und begann erneut, sich zu drehen;
es war wieder von einer Turbulenz erfasst worden. »Wird Zeit, dass wir von hier verschwinden.« Lily griff nach dem Knüppel an der Konsole vor ihr. Eine weitere Vibration erfolgte, als Elektromagneten den schweren Eisenballast freigaben. Plötzlich stieg die Trieste schnell empor, wobei sie weiterhin um die eigene Achse rotierte, doch als sie von der Fontäne weg nach oben stiegen, wurde die Drehung von der Reibung gebremst, und das Wasser wurde ruhiger.
Und dann durchdrang das Sonnenlicht ganz allmählich wieder das trübe Wasser.
28
DEZEMBER 2017
Aus Kristie Caistors Sammelalbum:
Der Leiter des Amtes für Meeresressourcen in Mississippi beklagte das Scheitern seines Plans, in den vom Hochwasser unbewohnbar gemachten Küstengebieten des Staates Mangroven zu züchten.
»Es schien eine ideale Möglichkeit zu sein, das aufgegebene Land einer konstruktiven Nutzung zuzuführen. Mangroven sind so etwas wie botanische Amphibien. Sie können Salzwasser vertragen und bilden natürliche Wellenbrecher, die das Land gegen Erosion und Überflutung stabilisieren. Sie sind eine Quelle von Nutzholz und Pharmaka. Und sie sind Zufluchtstätten für wilde Tiere - Vögel im Blätterdach, Schalentiere im Wurzelwerk, Alligatoren, die an der Wasseroberfläche jagen. Sie sind sogar ganz hervorragende Kohlenstoff-Sequestrierer. Aber das Meer steigt einfach zu schnell. Unsere Mangroven gehen unter, bevor sie wachsen oder Nutzen bringen können. Wir haben nicht aufgegeben, wir ziehen uns nur zurück und legen weiter landeinwärts neue Pflanzungen an. Ich kann der Öffentlichkeit versichern, dass Mississippis Mangroventraum noch lebendig ist.«
29
FEBRUAR 2018
Die Maschine von Reykjavik nach New York wurde umgeleitet. Der Grund dafür sei ein Sturmsystem über dem Nordatlantik, gab der Pilot bekannt. Sie würden nach Norden fliegen, über Kanada hinweg bis nach
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