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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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»Aufhören! Seht ihr denn nicht, dass sie unsere Freunde sein wollen?«
    In genau diesem Augenblick sauste Japeth an seiner Mutter vorbei, schwenkte sein Schwert und schubste sie dabei mit so großer Wucht an, dass sowohl Mrs Noyes als auch Emma umgestoßen wurden und über das Deck rollten.
    Ohne an ihre Verletzungen zu denken (sie blutete), stand Mrs Noyes auf, rannte (mit Emma im Schlepptau) zum Fuß des Afterdecks und rief ihrem Mann zu – der immer noch da stand und tobte –, flehte ihn an, dem Schlachten ein Ende zu machen.
    »Freunde!«, rief sie. »Freunde! Sie wollen unsere Freunde sein!«
    Aber Noah weigerte sich, auf sie zu hören.
    Waren diese Geschöpfe nicht auf allen Seiten der Arche?
    Waren sie nicht schon in solchen Mengen über die Bordwände auf das Deck geschossen, dass es genügte, um die Herren der Arche zu überwältigen? Nur dank des glorreichen Armes seines Krieger-Sohnes wurden sie ebenso schnell erledigt, wie sie aufgekreuzt waren.
    »Madam«, rief er durch seinen rauchumhüllten Bart hinunter – den Arm und den schwarzen Schirm gen Himmel erhoben, »das sind Geschöpfe der Hölle! Piraten aus dem Abgrund! Aus Satans eigenem Mund gespuckt! Tu deine Pflicht, Frau! Töte sie!«
    Mrs Noyes wandte sich ab. Ihr war übel.
    Da sprang eine große, graue, wie Perlmutt schimmernde Gestalt – sie glänzte, kämpfte gegen die Luft an – vor Mrs Noyes in die Höhe – und landete vor ihren Füßen.
    Sie wälzte sich auf den Rücken wie eine spielende Katze, hob den Kopf und schaute sie mit Augen an, die sie nie mehr vergessen würde.
    Das ganze Gesicht war eine Botschaft der Freude und der Begrüßung.
    Aber genau in dem Augenblick des Erkennens, als Mrs Noyes und die Kreatur einander anschauten und anlächelten – fiel Japeths Schwert – flink und mit tödlicher Wirkung.
     
     
    Mrs Noyes stieß einen wütenden Schrei aus und befreite sich von der Last ihrer Schwiegertochter – dann warf sie sich mit voller Wucht auf ihren Sohn. Sie kämpfte gegen seine Arme – sie kämpfte gegen seine Augen – sie kämpfte gegen seine Beine und gegen sein Schwert. Doch sie konnte ihn nicht aufhalten. Sem ließ es nicht zu.
    Der Ochs schritt von hinten an sie heran und versetzte ihr Fußtritte auf beide Arme – zwang sie, die Beine seines Bruders loszulassen.
    Emma war gegen die Wand des Arsenals gefallen und heulte, was ihre Lungen hergaben. Ham und Luci, die erkannt hatten, dass man die Eindringlinge nur retten konnte, wenn man sie bei lebendigem Leib ins Meer zurückwarf, waren gerade mit dieser Arbeit beschäftigt, als Japeth seinen Dreizack und sein Netz holte und sie wie Vögel einfing; er befestigte das Netz am Deck, indem er es genau wie Lucis Kimono mit dem Dreizack durchstach.
    Als das Wasser rings um die Arche nicht nur von ihrem Blut verfärbt, sondern auch mit den Leichen ihrer Brüder und Schwestern übersät war, traten die Angreifer endlich ihren Rückzug in völliger Verwirrung an. Mrs Noyes lag noch immer auf dem Deck; Sems Fußtritte waren so heftig gewesen, dass sie nicht aufstehen konnte. Sie schaute unter der Nebelhülle hinaus und sah, wie sich die Geschöpfe zwischen der Arche und den ungeschlachten Gestalten der Wale neu gruppierten. Sie hätte ihnen gerne zugerufen: Geht zurück! Aber da sie wusste, wie ungestüm ihr Mann in solchen Augenblicken reagieren konnte, schwieg sie.
    Doch tief in ihrem Herzen schrie sie: Geht zurück! Geht zurück! Sie werden euch alle umbringen.
    Als er das seltsame Gemetzel unter sich betrachtete, verkündete Noah, im Namen Jahwes hätten sie einen großen Sieg errungen. Die Heiligkeit der Arche war bewahrt und die Piraten waren zurückgeschlagen worden.
     
     
    Der wirtschaftlich denkende Sem (Spare in der Zeit, so hast du in der Not!) gab sich mit dem bloßen Sieg nicht zufrieden. Die Leichen der Piraten, so redete er seinem Vater ein, wären für die Löwen genau das Richtige.
    Nachdem er die Piraten identifiziert und ihnen einen Platz in der Weltordnung zugewiesen hatte, widmete Noah sich wieder dem Problem des zunehmenden Missmuts in der eigenen Fraktion. Mit Schlössern und Schlüsseln und harter Arbeit würde er die anderen in Schach halten, aber was war mit Sem und Hannah? Und mit Japeth?
    Schon lange vor Noahs Zeit hatte man eingesehen, wie schwer das Leben für die ist, die sich als Führer der Menschen begreifen. Allein bei der Vorstellung, wie viele politische Probleme es verursacht hat, die Blutlinien von Seth und Kain auseinander zu

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