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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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die größeren Fleischmesser zu benutzen, denn ihre Schärfe und ihre Größe wirkten so einschüchternd, dass er sich nicht vorstellen konnte, sie im Kampf einzusetzen. Die Wunden, die sie zufügen könnten, wären einfach zu grässlich.
    Luci nannte das Feigheit, und zwar der schlimmsten Art -»intellektuelle Feigheit« sagte sie dazu. »Ein Messerstich ist ein Messerstich«, sagte sie. »Das Blut deines Bruders ist nicht weniger das Blut deines Bruders, nur weil du es mit einer kleineren Klinge vergießt, Ham. Was für Unsinn ihr Menschen manchmal redet!«
    »Ja – aber ich will sie nicht töten«, sagte Ham.
    »Nun mein Lieber«, sagte Luci, »es tut mir Leid, dir das sagen zu müssen, aber Tatsache ist, wenn du nicht bereit bist, sie zu töten – werden wir nicht gewinnen.«
    »Aber – ich kann doch meinen eigenen Bruder nicht töten!«, rief Ham.
    »Nun gut. Aber sag mir Folgendes: Kannst du dir vorstellen, dass Japeth so etwas sagen würde?«
    Während Ham schwieg, stieg vor Mrs Noyes’ geistigem Auge ein Bild von Japeth auf, wie er im Gang sein Schwert schwang und sagte: Wenn du das noch einmal tust, bringe ich dich um …
    »Nein«, meinte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Japeth so etwas sagen würde.«
    »Das sagst du so leicht«, sagte Ham, »aber ich muss ihn töten.«
    »Warum lässt du das Problem nicht einfach auf dich zukommen?«, fragte Luci.
    Ham sagte nichts mehr. Am liebsten wäre ihm gewesen, wenn das Thema gar nie zur Sprache gekommen wäre, und insgeheim war er noch immer überzeugt, dass niemand getötet werden sollte. Doch es war sinnlos, mit Luci darüber zu streiten. Sie hatte etwas Hartes, Erbarmungsloses, das er nie verstehen würde, womit er vielleicht immer Probleme haben würde. Doch so viel verstand er: Ohne Lucis Härte hätte der Aufstand an Bord der Arche nicht stattgefunden. Die Härte hätte sich dann ausschließlich auf der anderen Seite befunden, bei den Menschen hinter der Tür, die sie jetzt in Angriff nehmen wollten.
    Luci stieg die Treppe bis ganz oben hinauf und gab Mrs Noyes ein Zeichen, ihr leise zu folgen. Auch Ham folgte, blieb aber oben auf der Seite stehen. Sobald das Holz um Schlösser und Riegel verbrannt wäre, würde er als Erster durch die Tür gehen. Er schwitzte bereits trotz des eiskalten Luftzugs, der unter der Tür durchblies und die Kerzen zum Flackern brachte.
    »Bring deine Dämonen her!«, rief Luci leise Mrs Noyes zu.
    Luci hockte vor dem Türrahmen, Mrs Noyes neben ihr mit den Säcken samt den Dämonen.
    »Ich fürchte, du musst einen Eimer Wasser holen«, sagte Luci. »Die Säcke fangen an zu brennen. Schnell!«
    Mrs Noyes sauste die Treppe hinunter zum Stall, wo sich, wie sie wusste, ein Eimer und ein Fass befanden. In der Zwischenzeit griff Luci in den ersten Sack und zog einen Dämon heraus.
    Ham schaute fasziniert und nicht wenig erschrocken zu, als Luci in einer Fremdsprache zu dem Dämon sprach und ihm ein leckeres Stückchen Leber aus ihrer Tasche anbot.
    Der Dämon verschlang die Leber – briet sie gleichzeitig – und fast sofort begann er, an den unteren Körperteilen etwas heller zu glühen. Eine längere Diskussion zwischen den beiden hatte einen außergewöhnlichen Anblick zur Folge: Der Dämon streckte Luci sein glühendes Hinterteil hin, und diese fing an, ihm mit ihrer großen, mit Schwimmhäuten versehenen Hand schnell Luft zuzufächeln.
    Als das Glühen dadurch so hell und heiß wie möglich geworden war, wies Luci den Dämon an, genau so am Türpfosten stehen zu bleiben. Ihre Finger dienten ihm dabei als Stütze.
    Das Bild, das sich nun bot, sah so aus: ein glühend heißer Dämon, der sich in der Hocke nach vorn beugte und sein Hinterteil fest gegen den Türpfosten drückte, während Luci seine Pfoten genauso hielt, wie eine Mutter die Hände eines Kindes hält, das auf dem Töpfchen sitzt und den Anforderungen nicht gerecht wird.
    Auch wenn das Bild sehr friedlich war, die Wirkung war haargenau so, wie Luci vorausgesagt hatte: Das Holz loderte auf und brannte wie Wunderkohle, und bald klaffte im Türpfosten ein Loch vom Durchmesser eines Besenstiels.
    Bis Mrs Noyes mit ihrem Eimer Wasser zurückkam, war Luci schon mit dem zweiten Dämon beschäftigt, der erste lag erschöpft auf einer Stufe; dabei war er so vorsichtig, sich auf den Bauch zu legen, um die Treppe nicht in Brand zu setzen. Der Rupfensack mit den mehrköpfigen Dämonen rauchte wie ein Lagerfeuer und Mrs Noyes ließ ihn in den Eimer hinunter, wo er

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