Die letzte Flut
Fluchen benutzte – einige davon waren auf dem Anwesen der Familie noch nie vernommen worden. Vielleicht hatte Japeth sie wie die blaue Farbe während seiner Abenteuer auf der Straße aufgesammelt.
Japeths Wut entzündete sich daran, dass niemand Wasser für seine Tiere hingestellt hatte. Seine heißgeliebten Wölfe mit ihren Halsbändern aus Messing und Kupfer, mit ihren von der ausgesuchten Nahrung – allein Reh und lebende Hasen – geschmeidigen Muskeln, waren vernachlässigt worden, hätten verdursten können. Nur die Frauen waren daran schuld.
Hannah und Mrs Noyes blieben von Japeths Schimpftirade mehr oder weniger unbeeindruckt, doch Emma, die nicht mehr als einen Meter fünfzig maß und deren Haare bis unter die Taille reichten, rannte und stolperte, durch ihre wehenden Haare geblendet, zur Pumpe neben dem Haus, die sie sofort so heftig zu betätigen anfing, als wolle sie alles Feuer der Hölle löschen. Jedoch fruchteten all ihre Anstrengungen nichts – obwohl sie dabei so eifrig voranging, dass ihre Füße den Kontakt zum Boden verloren. »Ich kann nicht, ich kann nicht!«, schrie sie. »Da ist nichts. Der Brunnen ist leer!«
»Unsinn«, sagte Hannah. »Wirklich, Kind, du bist so dumm. Man muss nur Wasser einfüllen.« Und schon schritt sie ganz gelassen zur nächsten Regentonne, schöpfte das letzte Wasser heraus und schüttete es in das Rohr, bis die Lederdichtungen zugedeckt waren. »Da«, sagte sie. »Pump!«
In weniger als einer Minute füllte Emma vier Eimer mit Wasser und eilte, ohne einen Blick in Japeths Richtung zu wagen, zum Trog, der zwischen den Bäumen auf der Gartenseite des Tores aufgestellt war.
»Er ist schon voll«, sagte sie, als sie gerade den ersten Eimer hineinschütten wollte.
Hannah lief über den Hof, um nachzusehen. Sie drehte sich zu Japeth um, kreuzte die Arme und starrte ihn zornig an. »Nicht nur voll Wasser, mein Lieber – sondern auch voll Frösche und Kröten. Haben deine Wölfe so viel Angst vor Fröschen und Kröten, dass sie ihretwegen nicht trinken wollen?«
Japeth errötete, was eine neue Violettschattierung – nicht ohne Reiz – an seinen blau gefärbten Armen und am Hals hervorrief.
»Meine Wölfe haben vor nichts Angst«, sagte er. »Schon gar nicht vor so einem alten Frosch oder einer Kröte. Vielleicht ist das Wasser schlecht. Vielleicht…«
Hannah beugte sich herab, hob die Hand und gebot Ruhe. Etwas Seltsames, Helles, das auf dem Wasser schwamm, hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Es war eine lange bronzene Feder, wie sie noch keine gesehen hatte; wie eine Mondsichel lag sie in der Mitte des Trogs. Bevor sie die Feder mit ihren Fingerspitzen auffing, nahm Hannah sie in Augenschein – ruhig trieb sie auf der Wasserfläche, umgeben von der Schar ertrinkender Kröten und um sich schlagender Frösche. All diese Geschöpfe versuchten die Feder zu fassen und sich darauf zu hieven, um sich zu retten; als sie aus ihrem Blickfeld verschwand, weil Hannah sie herausholte, war es, als würden sie dem Weltuntergang zusehen.
Hannah richtete sich auf – die Feder in der Hand.
»Vielleicht haben deine Wölfe ja Angst vor Federn«, sagte sie und hielt sie hoch, damit jeder sie sehen konnte.
Emma rief: »Oh, wie schön!«
Hannah brachte die Feder weg. Sie gefiel ihr. Sie steckte sie in ihre Tasche.
Noah wandte sich seinem blauen Sohn zu und tat seine endgültige Meinung zur Situation kund. »Vielleicht haben die Frösche und Kröten dem Wasser einen Beigeschmack verliehen, Japeth«, sagte er. »Man kann nie wissen. Ich würde auch keinen Krötengeschmack in meinem Trinkwasser wollen. Warum nimmst du sie nicht heraus?«
Damit schien die Sache erledigt. Emma wurde aufgetragen, die amphibischen Eindringlinge zu entfernen und das alte Wasser durch neues zu ersetzen. Danach wurde jeder Wolf der Reihe nach von Japeth selbst zur Tränke geführt.
Mottyl, die aus ihrem Versteck im Gras alles verfolgt hatte, sah jetzt, wie die große blaue Gestalt Japeths auf ihren Jägerbeinen zwischen Trog und Tor hin- und herging und wie sich jeder Wolf auf der ganzen Strecke hin und zurück in der unterwürfigen Haltung duckte, die nur dem Rudelführer und Japeth vorbehalten war. Alle Wölfe liefen neben ihm her, zuerst einzeln und dann wieder paarweise.
Doch keiner der Wölfe trank. Nicht einmal, als Japeth auf die Knie fiel, Wasser in seine Hände schöpfte und es, um ihnen Mut zu machen, vortrank. Nicht einmal, als er sich niederbeugte, bis er wie ein Wolf über das Wasser
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