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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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sie in einem ruhigen, gleichmäßigen Ton. Eintönig und beschwichtigend. Schon als kleine Katze hatte Mottyl gelernt, diese instinktiven, auf rätselhafte Weise wahrgenommenen Befehle anzunehmen – und darauf genauso wie auf alle anderen Sinneswahrnehmungen zu reagieren. Doch heute versagte ihr Instinkt. In einem Moment rieten ihr die Stimmen, sich nicht aufzuregen, und im nächsten Augenblick befahlen sie ihr, den höchstmöglichen Baum zu suchen und sich darin zu verstecken.
    Sie empfahlen ihr außerdem, um den Juckreiz zu lindern, der sich langsam über ihre Seiten ausdehnte, eine Ziege ausfindig zu machen und sich fest an ihren Beinen zu wetzen. Auch diesen Rat befolgte sie – und erhielt als Dank dafür einen heftigen Fußtritt, der sie durch die Tür und in den Staub des Hofes wirbelte. Die Ziege war offensichtlich nicht die Lösung.
    Wetz dich an den Zaunpfosten!, flüsterten ihr die Stimmen zu, als Mottyl wieder aufstand und den Staub von ihrem Rücken schüttelte. Aber auch dieser Rat schlug fehl. Das Reiben an den Zaunpfählen brachte Mottyl nur heiße, trockene Aufwallungen ein und blaue Stromschläge und am Ende Fieber und Kopfschmerzen.
    Warum musste es jedes Mal anders sein, wenn man läufig war? Warum gab es keine harten und festen Regeln wie die fürs Gebären und für das Töten von Mäusen?
    Mottyl schlich ins Haus zu Mrs Noyes und bettelte um ein bisschen Aufmerksamkeit, um sich vom Fieber abzulenken, das noch schlimmer wurde, während sie mit den in Pantoffeln steckenden Füßen unter dem Küchentisch spielte. Sie war schon zwanzig Jahre alt und dennoch wollte sie – laut Doktor Noyes – viel zu oft auf den Schoß ihres Frauchens gehoben werden, geradeso, als ob sie noch ein Kätzchen wäre. »Bitte heb mich hoch!«, rief sie Mrs Noyes zu, deren Kopf und Arme hinter den Fransen des Wachstuchs versteckt waren. »Bitte, ich fühle mich nicht wohl…« Aber Mrs Noyes achtete nicht darauf, was auf dem Fußboden vor sich ging. Selbst eine Schar plündernder Ameisen war ihrem Blick entgangen, obwohl sie den Zuckersack schon erreicht hatten und allmählich weiß wurden wie die stibitzten Zuckerkörnchen. »Bitte…«, sagte Mottyl ein letztes Mal. Doch es kam keine Reaktion, weder in Worten noch in Form einer mitleidig ausgestreckten Hand.
    Tatsache war: Mrs Noyes versuchte ihr Möglichstes, ein passendes Mahl für den erwarteten Gast zuzubereiten. Sie enthülste gerade Erbsen und schnitt die Augen aus den Kartoffeln. Jetzt hieß es, der Gast würde morgen erst ankommen. Vielleicht auch erst übermorgen. Den ganzen Vormittag hindurch waren rosa- und rubinrote Tauben angeflogen gekommen mit Bulletins und Kommuniques im Schnabel, die über den Verlauf der Anreise und die Größe des Gefolges informierten. »Es werden zwanzig kommen…«, berichtete die erste Taube. »Wir sind jetzt zehn Meilen nördlich von euch und drehen nach Osten…«
    »Es kommen fünfzig«, verkündete die zweite Taube. »Pferde, Maultiere und eine Karawane!« (»Und eine Karawane?«, fragte Mrs Noyes. »Ich kann doch keine Karawane durchfüttern!«) »… Jetzt sind wir noch sechzehn Meilen entfernt, Westnordwest…« Und schließlich: »Es kommen vierzig… südlich.«
    Es war ein Alptraum.
    Am schlimmsten waren die endlosen Auflagen, was die Zusammenstellung der Speisen betraf. So viel Getue über das, was alles nicht aufgetischt werden durfte. Keine Leber, Nieren, Bries oder Kutteln. Kein Bauchfleisch oder Brustfleisch oder Lende. Kein Fett und kein Knorpel. Brühe, Suppe und Eintopf waren strengstens verboten. Die Aufzählung war endlos, und Mrs Noyes fürchtete allmählich, die nächste Taube würde eine Anordnung bringen, dass sie ein Bankett ganz ohne Speisen vorbereiten solle. Schließlich entschied sie sich für russische Eier, Krautsalat, Erbsen und Karotten in Rahmsoße, eingelegte Champignons, Kartoffelsalat, Tomatenscheiben, Frühlingszwiebeln, Gurkenstäbchen, mit Cheddar gefüllten Stangensellerie, das Ganze mit Basilikum, Dill und Petersilie garniert. Als Nachspeise würde es Pfirsiche und viele Krüge mit gekühltem Kamillentee geben. »Und wenn das seiner E, heißt Eminenz, nicht passt, soll sie Heu essen!«, schrie sie Doktor Noyes an. Doktor Noyes, der hinsichtlich des bevorstehenden Besuchs etwas andere Sorgen als seine Frau hatte, drehte sich um, ging hinaus und setzte sich in die Laube. Wo er mehrere Stunden blieb.
    Mrs Noyes stand auf und ging zur Tür von Japeths Zimmer. »Willst du mir nicht helfen?«,

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