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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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Menschen erlebt. Jedenfalls nicht bis jetzt, bis Luci…«
    Sowohl Mrs Noyes als auch Ham hatten geflüstert, ihre Stimmen summten in der geheizten Kombüse, zischten wie brodelnde Töpfe.
    »Sie ist so reglos«, sagte Ham. »Gerade das hat mich das erste Mal so beunruhigt. Selbst als ich ihren Namen rief, war es, als wäre sie nicht da. Und als ich ihn dann nochmals gerufen habe – hat sie einfach durch mich hindurchgeschaut, aber nichts gesagt, außer ›Warte‹. ›Es ist noch nicht vorbei…‹ Und später – als es offensichtlich vorbei war – habe ich sie gefragt, was sie mit ›es‹ gemeint hatte, und sie hat nur gesagt: ›Die Stimmen.‹«
    »Die Stimmen?«, fragte Mrs Noyes. »Meinst du die Bienenstimmen?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Ham. Er sah zu Luci, die jetzt vor Anspannung klatschnass war. Und der Dampf, der von ihrer Kleidung hochstieg, war mehr Rauch als Dampf – die Art von Rauch, den brennender Weihrauch ergibt – ganze Schwaden stiegen zur Decke empor…
    Und als Luci sprach – was sie jetzt tat –, war es nicht ihre eigene Stimme, sondern eine andere – tiefer als die eigene.
    »Krähe«, sagte sie. »Krähe wird uns retten.«
    Und dann – wieder mit der eigenen Stimme, aber noch immer in Trance – sagte sie: »Wie?«
    »Krähe hat die Lemuren befreit« , sagte die andere Stimme aus Lucis Mund. »Krähe hat all die anderen aus ihren Käfigen befreit, um uns bei der Suche nach Silber zu helfen.«
    »Ja«, sagte die Luci-Stimme. »Weiter!«
    »Was wir brauchen, ist noch eine Krähe auf den oberen Decks. Eine Krähe, die uns befreit. Eine Krähe, die die Schlösser aufmacht, die uns hier in unseren Käfigen festhalten…«
    »Ja?«
    Aber die Stimme hatte aufgehört. Luci, noch immer in Trance, war verstummt – doch jetzt kehrte sie sich von den Bienenstöcken ab und begann, mit ihrem Löffel gegen den Stuhl zu klopfen. Sie tat es nicht bewusst – es war nur ein Reflex – als könne sie ihr erschöpftes Hirn durch Klopfen schärfen – es durch Trommeln zur Tat bewegen, wie Armeen durch Trommeln bewegt werden. Und durch Trompeten.
    All ihre Aufstände waren fehlgeschlagen. Das Paradies lag für immer hinter ihr. Ihre Zuflucht im Morgenstern und später im Kormoran hatte nur bewiesen, dass sie sich allein in der ihr gegebenen Form erfüllen konnte. Ihr Aufenthalt im Obstgarten hatte nur bewiesen, dass dieser – wie sie schon lange vermutet hatte – bis auf eine unbegründete Angst vor Schönheit und die Tyrannei der Äpfel völlig leer war. Ihr einziger Erfolg war ihre Ehe mit Ham gewesen, die ihr Überleben an Bord der Arche gesichert hatte, doch am Ende war auch dies gescheitert. Sie wurde in diesem Kerker gefangen gehalten – wieder einmal den Tiefen übergeben – und es war ihr nicht gelungen, das Einhorn wiederzubeleben – es war ihr nicht gelungen, das elektrische Licht zu erfinden – es war ihr nicht gelungen, die Dämonen zu retten – es war ihr nicht gelungen, die Oberhand über die Mächte des Bösen zu gewinnen, die am oberen Deck unter dem Schutz von Japeth Noyes herrschten, genauso, wie es ihr nicht gelungen war, die Oberhand im Himmel zu gewinnen, wo die Mächte des Bösen unter dem Schutz von Michael Archangelis eine absolute Herrschaft ausübten. Es war hoffnungslos. Und all ihre Fähigkeiten versiegten, eine nach der anderen. Sie war nicht fähig gewesen das Kastell abzubrennen. Sie hatte es nur geschafft, ihre Seile durchzubrennen und Japeth mit einem unbedeutenden Fluch zu zeichnen.
    Sie fühlte sich erbärmlich.
    Ihr Löffel klopfte weiter – und sie hatte immer noch nicht aufgehört, als Mrs Noyes aufstand und die Breiteller und den Breitopf und die Teebecher und die Milchschüssel für die Kätzchen einsammelte und eines nach dem andern ins Spülbecken fallen ließ…
    Das Spülbecken.
    Klopf, klopf.
    Das Spülbecken.
    Emma.
    Plötzlich stand Luci auf, warf dabei ihren Stuhl um und sprach mit der anderen Stimme: »Emma«, sagte sie. »Emma wird unsere Krähe sein!«
     
     
    Ein Abflussrohr wurde abmontiert, und das schaffte genug Platz, damit Krähe durchkriechen und nach außen gelangen konnte. Sie hatte sehr genaue Anweisungen erhalten: Emma ausfindig machen und sie sofort zu den Türen bringen, die zum oberen Deck führten, um sie zu entriegeln.
    Diesmal würden sie nicht – konnten sie einfach nicht – scheitern.
    Ohne Licht – ohne Waffen – ihre Kräfte aufgezehrt und ihre Siegeschancen lächerlich gering, hatten sie jetzt nichts, womit sie

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