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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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kleineren Magiertische direkt neben Jahwes Knie.
    Hannah rückte auf ihrer Stufe zur Seite.
    Das Lied ging weiter.
     
    Dort, am Ufer von dem Flusse
    krieg’n wir unsrer Mühe Lohn,
    legen bin die schwere Bürd
     und erhalten Rob’ und Kron.
     
    Noah zog eine hohe Flasche aus allerfeinstem Glas hervor. Danach noch einen großen geprägten Kupferpfennig. Er stellte die Flasche und legte den Pfennig auf den kleinen Tisch.
     
    Ja, wir sammeln uns am Flusse,
    am herrlichen, herrlichen Flusse …
     
    Noah lenkte Jahwes Aufmerksamkeit zuerst auf den Pfennig s o – und dann auf die Flasche – so, indem er den Pfennig auf den Tisch legte und die Flasche dar auf stellte.
    »Herr, mein Gott, seht Ihr den Pfennig immer noch ganz deutlich durch das Glas der Flasche…?«
    Jahwe nickte; ja.
    »Dann – schaut, Herr, welch äußerst erstaunliche und magische Wirkung, während ich diese Flüssigkeit langsam in die Flaschenöffnung hineingieße. Darf ich Eure Aufmerksamkeit auf den Pfennig lenken? Majestät, behaltet den Pfennig im Auge, und nur den…!«
    Dann streckte Noah den Arm aus und brachte einen silbernen Krug mit reinstem Wasser zum Vorschein, das er, wie angekündigt, in die Flasche goss.
     
    Bald sind wir am Silberflusse, unsre Pilgerschaft vorbei …
     
    Jahwe stockte der Atem.
     
    unsere Herzen werden singen eine Friedensmelodei.
     
    Jahwe lehnte sich nach vorn, um besser zu sehen, was er noch nicht erkennen konnte.
    Der Pfennig war verschwunden.
    »Noch mal!«, krähte Jahwe. »Mach es noch mal!«
    Erfolg, endlich.
     
    Ja, wir sammeln uns am Flusse,
    am herrlichen, herrlichen Flusse,
    mit allen Heiligen am Flusse,
    der fließt an Gottes Thron vorbei.
     
    Noah wiederholte den Trick – nicht einmal, sondern noch dreimal – und jedes Mal faszinierte er Jahwe mehr.
    »Nur durch das Hinzufügen von Wasser…«, sagte er.
    »Ja, Herr. Ja…«
    Und Noah führte den Trick ein letztes Mal vor.
    »Wie ein Wunder…« Jahwe flüsterte jetzt fast, als sich der letzte Rest der Flüssigkeit aus der Tülle des Silberkrugs in die Öffnung der hohen Glasflasche ergoss… im Innern hinunterlief… die Flasche füllte und das Bild des Pfennigs ganz und gar auslöschte, der immer noch auf derselben Stelle unter der Flasche lag. »Nur durch das Hinzufügen – von Wasser…«, sagte Jahwe, »… verschwindet er…«
     
    Mit allen Heiligen am Flusse,
    der fließt an Gottes Thron vorbei …
     
     
    Später, als die Schafe sich zurückgezogen hatten und Mrs Noyes – beschwipster denn je – ihren Platz im Pavillon wieder eingenommen hatte, ließ Noah die großen blauen Zeltwände aufrollen. Dann zog er als Höhepunkt des magischen Abends eine solche Schau ab, dass sogar seine Frau mächtig beeindruckt war, welche Menge an Wunder und Schönheit ihr Gatte zustande bringen konnte, wenn er nur wollte.
    Und draußen hinter dem Pavillon, unter freiem Himmel, zeigte er nichts Geringeres als Das Maskenspiel der Schöpfung; er fing mit einem Windstoß an, der sämtliche Kerzen ausblies – so dass alle wie mit einer Stimme »Ah!« riefen.
    Als Nächstes kam eine schwebende Gestalt mit undeutlichen phosphoreszierenden Konturen, die sich wie beim Schwimmen seitlich fortbewegte: Sie stellte den Geist Gottes dar, der auf dem Wasser schwebte.
    Und als Gott das Licht erschuf, gab es eine so herrliche chinesische Explosion – sie war weniger ein plötzliches helles Leuchten, als eine sich allmählich steigernde, glanzvoll aufberstende Erscheinung – dass diese Darbietung sowohl laute Zurufe als auch Applaus von schwimmhäutigen Händen und sogar das Stampfen begeisterter Füße erntete.
    Himmel und Erde waren Banner aus Samt und Seide – Bäume und Gras und Reben aus bemaltem Tuch stiegen empor, ja blühten sogar, und nach der Blüte erschienen Früchte: gläserne Pflaumen und Kirschen, Messingbirnen und Kupferpfirsiche, kandierte Weintrauben und glasierte Beeren…
    Dann die Planeten, Mond und Sonne, einige im Wettstreit mit ihrem himmlischen Gegenstück – aber das machte nichts. Jede neue Erscheinung entlockte den Zuschauern einen Seufzer des Vergnügens, jedes neue Aufsteigen war von einem Zuruf der Begeisterung begleitet.
    Vögel aus Segeltuch flogen in die Luft und umkreisten die bemalten Bäume, verschwanden dann in einem strahlenden Band aus vielen Farben, das am Himmel einen Bogen beschrieb. Hölzerne Hirsche wurden von mechanischen Bären und tapsigen Drachen über die samtene Erde gejagt. (Die Drachen zogen, wie alle

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