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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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Knoten neu zu binden, als Ham erschien, mit Luci im Schlepptau.
    Luci hatte Krähe sofort entdeckt.
    »Du darfst nicht – oh, bitte, tu ihr nichts zuleide!«, sagte Mrs Noyes; sie war sich noch nicht sicher, auf wessen Seite Luci stand. »Bitte.«
    Luci schadete Krähe nicht – ganz im Gegenteil: Sie trippelte übers Deck und fragte sie: »Wo willst du denn hin, Krähe?«
    Nachdem sie erklärt hatte, was sie von Mrs Noyes über die Sicherheit des mit einem Pagodendach versehenen Kamins über dem Altar wusste, fühlte Krähe, wie sie hochgehoben wurde (»Meine Flügel! Meine Flügel! Drück nicht so fest auf meine Flügel! ’«), wie eine kultische Ikone wurde sie zum Dach der Kapelle getragen und darauf abgesetzt; mit einem dankbaren Blick Richtung Luci watschelte sie mühelos aus dem Regen und die Schindeln hinauf.
    In der Zwischenzeit hatte sich Ham vor Mottyls Schürze niedergekniet und die Knoten gelöst. Mrs Noyes ermahnte ihn, vorsichtig zu sein. Als die Knoten endlich auf und die Schürze geöffnet war, kam Mottyl zum Vorschein; sie lag auf der Seite, war mitten in den Wehen – und auf der Suche nach Milch kroch schon ein Kätzchen über ihren Bauch – winzig, blind, unbehaart, mit der stumpfen Form einer Nacktschnecke.
    »Du hast schon eins gekriegt«, sagte er.
    »Und das zweite kommt auch gleich… oh… tut mir Leid, ich kann es nicht zurückhalten…«
    Während Ham und Mrs Noyes zuschauten, kam das zweite Kätzchen auf die Welt, und Mottyl fing an, sein Gesichtchen von der Fruchthülle zu befreien.
    »Wo können wir sie verstecken?«, fragte Mrs Noyes Ham. »Wenn dein Vater das rauskriegt – tötet er sie.«
    Ham hatte sofort eine Idee – und er warnte Mrs Noyes, es könne sich nur um ein vorübergehendes Versteck handeln, sagte ihr aber auch, es sei für diesen Fall geradezu ideal.
     
     
    Da wurde oben an der Treppe die Tür aufgerissen und ein heftiger kalter Regenguss stürzte die Treppe hinunter, über die Gestalten, die dort unten warteten.
    Japeth – er trug seinen ledernen Brustharnisch und Beinschienen – stand auf dem Treppenaufsatz, hielt eine Laterne über dem Kopf und zückte sein blankes Schwert.
    »Was ist los? Stimmt etwas nicht?«, fragte Mrs Noyes und schaute zu ihrem Sohn hinauf. »Ist eines der Tiere ausgebrochen?«
    Japeth blieb die Antwort schuldig, fuchtelte nur mit der Laterne herum – er trat zur Seite und ließ den Lichtschein tiefer auf die Treppe fallen.
    »Er will, dass ihr jetzt hinaufkommt«, sagte er.
    »Ich nehme an, du meinst deinen Vater«, sagte Mrs Noyes. »Und – wenn ja – nenne ihn bitte beim Namen!«
    Japeth, verlegen und betreten, wischte sich den Mund mit dem Handrücken. Er bemühte sich sehr, das Auftreten der Rüpel nachzuahmen, die ihn auf der Straße gefangen genommen hatten und ihn in einen Eintopf verwandeln wollten. Diese Männer hatten ihm solche Angst eingejagt, dass er wie selbstverständlich glaubte, jeder müsse vor ihm niedergehen und vor Angst zittern, wenn seine Imitation nur einigermaßen überzeugend war.
    »Äh…«, sagte er. »Vater möchte euch sprechen.«
    »Viel, viel besser«, sagte Mrs Noyes. »Und – wie wäre es noch mit ›bitte‹?«
    Japeth lief knalllila an und stammelte etwas, das man vielleicht als »bitte« hätte auslegen können, aber er weigerte sich, es lauter zu sagen oder gar zu wiederholen. Bestimmte Worte, wie zum Beispiel »bitte« und »danke«, waren unter der Würde eines Soldaten. So hatte er zumindest den Hinweisen von Michael Archangelis entnommen.
    »Sollen wir alle hinaufgehen?«, fragte Mrs Noyes.
    »Ja. Alle.«
    Mrs Noyes hatte ihren Fuß schon auf der unteren Stufe, als Japeth hinzufügte: »Und ein bisschen dalli!«
    »Wie bitte?«
    Mrs Noyes wich bis zum Durchgang zurück.
    Luci sagte: »Ich glaube, er hat gesagt« (hier ließ sie ihre Stimme mindestens eine Oktave tiefer werden als Japeths unverbindlicher Tenor) »… ›ein bisschen dalli!‹«
    »Mach dich nicht über mich lustig!«, sagte Japeth, und er schwang die Laterne statt seines Schwerts, erkannte aber seinen Irrtum zu spät, um ihn noch berichtigen zu können. »Ich bin nicht in der Stimmung, mit mir spielen zu lassen.«
    Sein Blick war böse.
    Luci sagte: »Ich hatte eigentlich nicht vor, mit dir zu ›spielen‹, Schätzchen. Willst du, dass ich es mir noch mal überlege?«
    »Ich meine es ernst«, sagte Japeth – und diesmal nahm er das Schwert. »Mach keinen Blödsinn!«
    Luci zog einen Schmollmund und wollte gerade

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