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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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weiterreden, als Ham auftauchte.
    »Warum zum Teufel fuchtelst du mit dem Schwert vor uns herum, Jap?«, fragte er. » Wir sind es nur, um Himmels willen.«
    »Ihr und die Tiere«, sagte Japeth. »Ich gehe kein Risiko ein.«
    »Aber um Gottes willen, Jap: Sie sind in Käfigen und ich bin dein Bruder. Das ist deine Frau und dies hier ist deine Mutter! Spinnst du oder was?«
    Mrs Noyes sagte: »Fang keinen Streit an, Ham! Mir kommt es recht vernünftig vor. Japeth hatte immer schon Angst vor Kühen…«
    »Hatte ich nicht!«, sagte Japeth, gekränkt und empört, er war den Tränen nahe. »Ich hatte nie Angst vor Kühen…«
    »Müssen wir hier noch länger stehen?«, fragte Emma. »Ich möchte zur Latrine. Und es gibt nur die eine da oben«, sie deutete an Japeth vorbei, »oder die andere ganz weit dahinten im Dunkeln. Also könnten wir nicht hinaufgehen, bitte? Bitte?«
    Mrs Noyes nickte und ging nach oben; sie hatte noch Probleme mit dem Gleichgewicht – war noch nicht ganz seefest –, daher wurde sie von einer Seite der Treppe zur anderen geschleudert, schlug mit den Ellbogen – zuerst mit dem einen, dann mit dem anderen – auf dem Geländer auf.
    Als sie an ihrem jüngsten Sohn vorbeikam, sagte sie zu ihm: »Werden die anderen unter Deck nicht das Vergnügen deiner Gesellschaft haben, Japeth? Willst du nicht in der Nähe deiner Frau sein? Es gibt eine niedliche kleine Kajüte, gleich neben der ihren…«
    »Vater will mich bei sich haben«, sagte Japeth. »Ich soll hier oben wohnen.«
    Mrs Noyes lächelte.
    »Also dann«, sagte sie, »du und ich werden dann zumindest etwas voneinander sehen.«
    Japeth antwortete nicht. Er war damit beschäftigt, seinen Bruder und dessen Frau Luci an sich vorbei durch die Tür zu treiben – er biss seine Kiefer zusammen und schob sie von einer Seite zur anderen, wobei er noch eine weitere Erinnerung an seine Begegnung auf der Straße nachahmte: Das Bild des raubeinigen Bandenführers, der ihn gefangen genommen hatte, und in Vorfreude auf den Japeth-Eintopf mit den Zähnen knirschte.
    Entlang dem Deck war ein Seil gespannt, das vom Eingang zum Schacht bis zum Eingang unter dem Baldachin führte, hinter dem man die Lichter von Noahs Kajüte sehen konnte.
    Eins nach dem anderen gingen die Familienmitglieder am Seil entlang, setzten eine Hand nach der anderen auf – wurden vom Regen gepeitscht und geblendet und vom Wind fast weggeweht. Trotzdem: Als sie sich dem Kastell näherten – wo Noahs Quartier und die Kapelle untergebracht waren –, blickte Mrs Noyes zum Dach hinauf, um zu sehen, ob sie irgendeinen Hinweis auf Krähe in ihrem Versteck im Kamin erkennen könne.
    Vielleicht – aber möglicherweise war es auch nur der Regen, der aus Wünschen Gestalten machte – war dort oben etwas, unter das schräge Dach der Pagode gedrängt – und Mrs Noyes bildete sich sogar ein, sie hätte eine Flügelbewegung gesehen.
    Japeth bückte sich unter den Baldachin und öffnete die Tür.
    Auf einmal brachen Wärme und Licht hervor – und das Aroma eines Gerichts, das Käse enthielt.
    Hannah wartete auf sie und hatte – ganz gewiss – etwas zu essen gemacht. Sie würden sich auch – ganz gewiss – alle zusammen hinsetzen und vielleicht sogar ein bisschen Met trinken.
    Aber es sollte nicht sein.
    Das Mahl (was es auch immer gewesen war) war schon verzehrt und der Geruch rührte von den Resten, die auf einer Anrichte standen – die Schüssel war nicht zugedeckt und der Holzlöffel, mit dem aufgetragen worden war, lag auf einem der weißblauen Lieblingsteller von Mrs Noyes. Ein halber Laib Brot und ein Milchkrug standen daneben, der Milchkrug mit einer Leinenserviette zugedeckt.
    Noah saß an einem großen, breiten Tisch, den Mrs Noyes nie zuvor gesehen hatte. Sein Bart war gewaschen und gekämmt und die Robe, die mit lilafarbenem und goldenem Regen befleckt war, hatte er gegen eine andere Robe ausgetauscht. Diese war viel prächtiger: aus reiner Wolle, und blau. Er trug sie über einem weißen Baumwollhemd, das Mrs Noyes – sie erinnerte sich genau – erst vor weniger als einem Monat gesäumt hatte. Auf dem Schoß hielt er Jahwes Katzen: Abraham und Sarah.
    »Bitte um Entschuldigung«, sagte Emma – von irgendwoher weiter hinten, inmitten der Gestalten an der Tür. »Aber ich…«
    Noah schnitt ihr das Wort ab, als hätte sie gar nichts gesagt.
    »Hat man die Tiere gefüttert?«, fragte er.
    »Wir haben sie heute Früh gefüttert, Vater«, sagte Ham.
    »Und heute Abend?«
    »Nun –

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