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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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– oder Ham oder die Engelin Luci – durch die Spalten hinausschauen und die Feen sehen oder hören. Und wenn man den Feen Einlass gewährte, würden sich dann die Türen nicht für sie alle öffnen?
    Wenn nur der Lärm der Glocke aufhören würde. Wenn der Regen nur so lange aufhören würde, bis man etwas sehen könnte…
    »Sind sie zurückgekommen? Wo sind sie?…«
    Wieder reckten sich alle nach vorne, aller Augen bohrten sich in die Dunkelheit und aller Ohren pressten sich der Luft entgegen, während jeder Pulsschlag aufzuhören schien und atemlose Stille eintrat.
    Minuten vergingen und nichts passierte.
    Nichts.
    Doch dann…
    Kamen die Lichter zurück. Eins und dann noch eins und dann die ganze Anzahl.
    Der Berg atmete aus – und die Glocke hatte plötzlich eine Bedeutung erhalten.
    Ein oder zwei Lichtstückchen rissen sich vom Ganzen los und flogen hoch über die Arche, als suchten sie dort einen Eingang – aber nur allzu bald kehrten sie um – vom Regen zurückgeschlagen.
    Der ganze Berg schaute zu. Wartete.
    Die Feen drängten sich jetzt zusammen und drückten ihre Lichter gegen die Wände der Arche – selbst vom Gipfel des Berges aus konnte man den kristallenen Klang ihrer Schreie hören. Die Lichter schlugen so lange gegen die Wände, bis einige erloschen. Die Menge, kleiner jetzt, formte sich neu und flog über die Arche, klopfte dem Regen zum Trotz gegen das Dach.
    Doch mit jedem neuen Manöver wurden die Lichter schwächer – sowohl an Anzahl als auch an Stärke – und der Klang war nicht mehr zu hören, nur noch als Pulsieren erkennbar. Alle sahen, wie das Licht in der Dunkelheit ausging – seine Ränder verlor – in der Mitte zusammenbrach – nur noch ein Netz jetzt wie das einer Spinne, die darin gegen den Regen ankämpft – so lange, bis die letzten paar Lichtfäden fielen – und erloschen –, zum Schweigen gebracht und aus dem Leben und für immer von allem Lebendigen fortgerissen.
    Und die Glocke läutete weiter – aber die Arche war erbarmungslos, wie immer unnachgiebig. Ihre Gestalt hatte eine Stimme erhalten. Und die Stimme sagte: Nein.

 
     
     
    Buch Drei
     
     
    … und die Wasser wuchsen
    und hoben die Arche auf
    und trugen sie empor über die Erde.
     
    Genesis 7,17

Im Inneren war die Arche ein Schacht aus Finsternis und Stimmengewirr – und der Gestank der Tiere in dem fensterlosen Raum war Übelkeit erregend: Das ranzig gewordene Pech und die frisch geschnittenen Bohlen aus Tannenholz verströmten ein Aroma von fast widerlicher Süße. Im Vergleich dazu wirkten die Düfte aus den Speichern, mit dem darin lagernden Stroh und Süßgras und der warme, vertraute Geruch von Speiseöl aus der Kombüse, geradezu mild und angenehm.
    Der Schacht aus Finsternis befand sich genau in der Mitte der Arche, und er war so tief wie die unteren drei Decks zusammen. Darüber bildete das obere und einzige offene Deck (wo Noah im Kastell sein Quartier und seine Kapelle mit ihrer Pagode hatte) ein Dach, von dem eine Reihe nicht angezündeter Lampen herabhing. Jedes andere Deck war zum Schacht hin geöffnet – und stellte ein Labyrinth dar aus Passagen und Durchgängen, die hinter und zwischen die verschiedenen Käfige, Verschläge und Ställe führten, in denen die Tiere untergebracht waren.
    Auf dem zweiten Deck waren Vögel, Reptilien und Insekten in Käfigen aus Gittern und Draht eingesperrt. Einige der Käfige hingen von den Balken. Auch alle kleineren Säugetiere waren auf diesem Deck: Kaninchen, Eichhörnchen und Füchse – Affen, Ratten und Mäuse – Waschbären und Stachelschweine – Frettchen – Tamarins und Einhörner. Ferner befanden sich auch vier Kajüten für menschliche Passagiere darauf und eine davon enthielt eine grob behauene Wiege, die auf die Geburt von Hannahs Kind wartete.
    Auf dem dritten Deck hausten in Verschlägen und Boxen die mittelgroßen Tiere. Neben den Durchgängen verliefen Abflussrinnen; sie mündeten in Abflusskanäle, die sich ihrerseits durch Speigatten ins Wasser draußen entleerten. An Tieren waren hier Pferde, Zebras und Hirsche vertreten – Antilopen, Ochsen und Löwen – Emus und Strauße, Dodos und alle anderen flugunfähigen Vögel und Geschöpfe, die Auslauf brauchten – wenn auch nur von einer Seite einer Box bis zur anderen.
    Auf dem vierten und untersten Niveau befanden sich jene Tiere, bei denen man gefürchtet hatte, ihre Größe würde die Arche zum Kentern bringen. Hier herrschte vollkommene Finsternis.
     
     
    Draußen fiel

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