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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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richtig geweint in Erinnerung an die Zeit, als ich allein am Ufer des Suwa-Sees stand.
    »Ich hab mich versteckt und geschaut, was du machst«, lachte er und kam herbei. Ich flog ihm in die Arme und schluchzte wie ein Kind.
    »Du großes Baby, komm her«, sagte er und lief mit mir durch den Wald, mich auf den Schultern tragend.
    Zum Neujahrsfest wünschte er sich, mich mit japanischer Frisur zu sehen, und ich brachte ihn zum Lachen, als ich jammerte, wie schwer die lange nicht mehr gewohnte japanische Haartracht sei. Auf seinen Rat hin begann ich auch, die Silbenschriftzeichen von a – i – u – e – o an zu lernen. Ich lernte auch, in ein Notizbuch zu schreiben, was ich an dem und dem Tag gefühlt habe. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, waren das glückliche, von Sonnenschein erfüllte Tage gewesen, und lese ich heute, was ich damals geschrieben habe, so gab es kein einziges trauriges Ereignis.
 
    Datum
    Er hat in Matsumoto zu tun, und ich gehe mit. An der Schreinlaterne die Tauben fütternd, warte ich, bis seine Geschäfte zu Ende sind. Einen Sommerkimono für mich für 1050 Yen gekauft, ins Kino gegangen, Abendessen bei Ippei, dann zurückgefahren.
 
    Datum
    Heute das Grab meines Bruders besucht, am Shiojiri-Paß spazierengegangen. Wir haben zu zweit gesungen, aber weil er so unmusikalisch ist, mußte ich am Ende laut lachen; meine Taktlosigkeit tut mir leid. Ich habe im Wald mit schallend lauter Stimme gesungen und ihm »Frühlingsregen« vorgetanzt.
 
    Datum
    Heute den ganzen Tag lang zugeschaut, wie Schwalben ihr Nest bauen. Weil er am Abend nicht kommen kann, bei der Hauswirtin zu Abend gegessen. Danach mit dem alten Ehepaar zu dritt Hanafuda gespielt. Die alte Frau spielt gern Hanafuda , und wenn wir drei zusammen sind, holt sie gleich die Karten hervor und sagt: »Na, wollen wir eins spielen?«    
 
    Datum
    Heute hatte ich einen unverhofften Gast. Meine Geisha-Schwester Temari ist zu Besuch gekommen. Wir haben in Erinnerungen an früher geschwelgt, und Temari hat bei mir übernachtet. Sie hatte geheiratet, ist aber dann ausgerissen. »Zu heiraten, das ist nur Fuß- und Handfesseln angelegt und alle Freiheit geraubt zu bekommen, und macht keine Freude. Wenn man täglich zusammenlebt, kriegt man auch die schlechten Seiten zu sehen. Wenn man's so macht wie du, dann sieht man nur die guten Seiten und kriegt die Schnauze davon nicht voll, aber so ein Eheleben, wenn's gutgeht, hält ein halbes oder auch ein ganzes Jahr, und dann folgt die große Ernüchterung«, erzählte sie, und weil es so lang her war, wollten wir in die Stadt gehen, machten uns auf den Weg und liefen spazieren. Dabei kamen wir unter den Baum, der unser »geheimer Ort« gewesen ist. »Wollen wir raufklettern?« sagte ich. Sie wollte nicht. »Ich bin doch kein Kind mehr«, meinte sie zögernd und wollte ganz und gar nicht. Nichtszu machen. Ich nahm also ein Schnürband vom Kimono, machte es an den unteren Zweigen fest, hielt mich daran fest, und dann kletterten wir endlich, einander helfend, entschlossen rauf. Wer weiß, was sie sich dabei gedacht hat, aber sie pinkelte herzhaft runter und sagte dann, als ob nichts gewesen wäre: »Ah, das hat gutgetan. Auf, gehn wir heim!« Noch auf dem Heimweg rief ich: »Schwester, Schwester …!« und konnte mich vor Lachen kaum einkriegen. Zum Abschied riet sie mir mit Nachdruck, als sie ging: »Du darfst dir dieses Glück nicht entwischen lassen, halt es gut fest!«
    Die Abschiedsfeier
    Ich neigte dazu zu vergessen, daß er Frau und Kind hatte. Obwohl ich so sehr glücklich war, spürte ich, als der Herbst nahte, daß er irgendwie bedrückt war.
    »Ist was passiert?« fragte ich, aber er sagte, als wollte er vielmehr mich trösten:
    »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Sag mir lieber, ob du glücklich bist. Was hast du heute den ganzen Tag gemacht?«
    Ich brachte nichts aus ihm heraus. Ich war sicher, daß irgend etwas vorgefallen ist, und durchlebte eine Reihe von Tagen voller Ungewißheit. Ich dachte auch mal, vielleicht fühle ich mich so niedergeschlagen, weil es Herbst ist, aber schließlich kam der Tag, an dem mein Traum von Glück elendiglich zerklirrte.
    Seine Frau kam zu mir.
    Als ich seine Frau vor mir stehen sah, war ich wirklich erschrocken, und die Knie schlotterten mir, aber ich nahm mich zusammen und empfing sie mit einem herausfordernden »Was wünschen Sie von mir?«
    Während ich so eine Haltung einnahm, sagte sie zu mir mit gesenktem Haupt und unter

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