Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
Tränen:
»Ich bin zu Ihnen gekommen, obwohl ich darauf gefaßt bin, daß Sie mich verachten werden. Ich habe auch Kummer gehabt, aber weil mein Mann jetzt überaus große Sorgen hat, hat mich eine Bitte zu Ihnen geführt. Die Amtsperiode der Stadtverordneten geht dem Ende zu, und Wahlen stehen an. Es ist zwar beschämend, doch wir haben nicht sonderlich viel Geld. Als er deshalb die Personen anging, die ihn bisher unterstützt hatten, wurde er beschieden, man könne nicht jemanden unterstützen, der in eine Geliebte vernarrt sei, und er bekam böse Vorwürfe zu hören. Würden Sie bitte so freundlich sein, sich von ihm zu trennen? Nur vorübergehend würde schon ausreichen. Wenn Sie es sind, die ihn so glücklich macht, bin ich bereit, wenn die Wahlen vorüber sind, mich mit meinem Kind zurückzuziehen. Nur dieses eine Mal möchte ich der Karriere meines Mannes zuliebe diese Bitte an Sie richten.«
Dies sagte sie ohne einen Anflug von Groll und ging dann wieder. Während ich dieser armen Frau nachblickte, schämte ich mich meines rücksichtslosen Draufgängertums. Wie tief habe ich das Herz dieser Frau verletzt! Aber auch ich liebe diesen Mann. Was schert mich die, soll sie doch zur Hölle fahren! Aber was wird dann aus dem Kind? Dem unschuldigen Kind den Vater wegzunehmen, das wäre zu gemein. Wenn daraus ein Mensch würde, der das gleiche Leid erfahren müßte wie ich …
Nach vielen schlaflosen Nächten, von Qualen gepeinigt, bin ich mit blutendem Herzen zu einem Entschluß gekommen: Im Grunde ist es das mir auferlegte Los, von ihm gehen zu müssen, und gerade weil ich ihn liebe, will ich mich von ihm trennen.
Für die Nacht, die nach meinem Entschluß die letzte vorunserer Trennung sein sollte, habe ich, nur in meinem Herzen, eine Abschiedsfeier gerichtet. Ich verhielt mich so, daß er nicht merkte, wie sehr ich im Innern litt. Und daß er auch meinen Entschluß nicht bemerkte. Aus erwiderter Liebe unterdrückte ich meine Tränen und aß still mit ihm zu Abend. Es war ein trauriges Mahl.
In der Nacht dachte ich, wenn es möglich wäre, das Lebenslicht einer Frau in dieser einen Nacht zu Ende brennen zu lassen, dann wollte ich es geschehen lassen, und schmiegte mich fest an seine Brust. In seinen Armen zu liegen, an seiner Brust, nach dieser Nacht würde ich alles verlieren. Warum muß ich nur denjenigen, den ich so liebe, verlieren und so ein Leid erdulden? Um mir sein Abbild ins Herz einzubrennen, betrachtete ich sein schlafendes Gesicht, ohne auch nur eine Sekunde zu schlafen.
Verzehrender Liebeskummer
Ich bat die Hauswirtin, mir den Abschiedsbrief an ihn zu schreiben, bestellte einen Wagen, packte alle meine Sachen und brach auf in Richtung Toyoshina. Das war gegen Ende des Jahres 1954.
In Toyoshina hatte Karuta ein Restaurant eröffnet, und ich blieb vorläufig erst einmal bei ihr. Dort angekommen, konnte ich über meine wahnsinnige Liebe zu ihm einfach nicht hinwegkommen und war meiner selbst überdrüssig. Kein Tag, an dem ich mich nicht mit Sake betrunken hätte, und wenn ich betrunken war, litt ich Liebesqualen, und wenn der Rausch vorbei war, erst recht. Halbtot bei lebendigem Leib, mich vor Pein windend wie eine Schlange, irrte ich wie besinnungslos umher. Da traf ich einen Mann, der ihm ziemlich ähnlich sah, und beging sogar die Idiotie, eine Nacht mitihm zu verbringen. Einer, der ihm ähnlich sieht, sieht ihm halt nur ähnlich, mehr nicht; er ist nicht er . Hinterher bleibt ein schaler Nachgeschmack, so, wie wenn man Asche im Mund hat und den Geschmack nicht wegkriegt, sooft man auch ausspuckt.
Wenn ich eine reine Frau wäre mit richtiger Keuschheit, hätte ich vielleicht leben können, indem ich die Erinnerung an ihn heilig hielt. Aber ich bin dämlich. Obwohl ich genau wußte, daß mich hinterher der Schmerz plagen wird, beging ich eine Dummheit nach der anderen. Nachdem ich aus Sehnsucht nach ihm die Nacht mit einem beliebigen Mann verbracht hatte, konnte ich am anderen Morgen meine Liederlichkeit nicht ausstehen und verhöhnte mich selbst, während ich tropfende Tränen auf das eigene Gesicht vergoß, das mich aus dem Spiegel anstarrte. Auch wenn ich im Kreis betrunkener Gäste im Takt der Musik mitklatschte, im Herzen war ich so verlassen, als stände ich einsam auf ödem Feld.
Ich mühte mich, so schnell wie möglich diese Qualen loszuwerden. Gäbe es so was wie Aladins Wunderlampe, womit man sein Herz umtauschen könnte, ich würde es umtauschen, wünschte ich mir gar, aber aus
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