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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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Ichiriki ohne Pause hervor und nahm mich unerwartet herzlich auf.
    »Der Herr Motoyama, über dessen Affäre mit dir Gerüchte umliefen, ist zurückgekommen und jetzt Stadtverordneter«, erzählte sie mir so freudig erregt, als sei es ihre eigene Angelegenheit.
    Er ist also zurückgekommen … Aber es ist eine allzu ferne Erinnerung, um mich darüber freuen zu können. Bei meiner fortwährenden Plackerei hatte ich nicht mal die Zeit gehabt, an ihn zu denken.
    Am selben Abend wurde ich von hohem Fieber befallen und legte mich im Ichiriki zur Ruhe. Es war wohl ein Fehler gewesen, wider alle Vernunft mit den Grabbesuchen fortzufahren, obwohl ich mir im Haus meiner Tante eine Erkältung geholt hatte.
    Wiedersehen
    Von Alpträumen am laufenden Band verfolgt und bedrückt, schlug ich die Augen auf. Ist das nicht Herr Motoyama, der da neben meinem Kissen sitzt? Mir war ganz so, als würde ich weiter im Traum liegen, und erst als er mich an der Schulter rüttelte, merkte ich, daß es Wirklichkeit war.
    Ich könne mir gar nicht vorstellen, was für Mühen er sich gegeben habe, um meinen Aufenthaltsort herauszufinden, sagte er. Vor vier Jahren habe er es aufgegeben und geheiratet, und jetzt sei er Vater eines Kindes. Weil ich mir von Anfang an keine hochfliegenden Hoffnungen auf Heirat gemacht hatte, war ich jetzt vor lauter Freude, ihn nur wiederzusehen, ganz aus dem Häuschen.
    Erst viel später, sagte er, habe er von der Mutter des Ichiriki erfahren, daß ich nach Chiba gegangen sei; ich bemerkte, wie sein Gesichtsausdruck sich auf einmal verhärtete. Intuitiv dachte ich, dann hat er auch die Geschichte mit meinem Nackttanz erfahren, und ich fühlte seine Rücksicht, das nicht zur Sprache bringen zu wollen, so deutlich, daß es im Herzen weh tat.
    Fortan sorgte er so gut für mich, daß es mir an nichts mangelte. Keine drei Tage waren vergangen, da hatte er ein Zimmer für mich gefunden und mich da einquartiert, und jedesmal, wenn er kam, brachte er mir dies und jenes mit, was er für mich zusammengekauft hatte, und weil ich mich allein vielleicht einsam fühlen könnte, kaufte er sogar ein Radio und brachte es mir mit.
    Um die Zeit, als die Kirschen blühten, war ich wieder vollkommen gesund, und wir gingen heimlich zu zweit zur nächtlichen Kirschblütenschau. Ich hatte nicht geahnt, daß Kirschblüten so schön sein können. Bisher war ich stets nur mit gesenktem Kopf und mit Tippelschritten zur Blütenschaugegangen und hatte nie die Muße gehabt, die Blütenpracht in vollen Zügen zu genießen. Wie jemand, der zum ersten Mal im Leben Kirschblüten sieht, seufzte ich vor Begeisterung »ach, wie schön, wie herrlich!«
    Am nächsten Tag ging ich allein aus und kletterte so, daß es keiner sah, auf einen Kirschbaum. Die Blüten stehen in voller Pracht, die Bienen arbeiten summend, Spinnen bessern die Löcher in ihren Netzen aus. Alles lebt. Ich war erfüllt von einem Gefühl der Dankbarkeit, daß ich auch am Leben war.
    An schönen Mondabenden haben wir uns auch manchmal am Seeufer getroffen und in Erinnerungen an früher geschwelgt. In solchen Augenblicken fühlte ich, daß der Mond und die Sterne für Menschen, die auf dem Gipfel des Glücks oder im Abgrund des Unglücks stehen, seltsamerweise wunderschön aussehen.
    Das Glück war wieder zu mir zurückgekommen. Wenn ich nur sein Gesicht sah, sagte ich schon: »Ich bin glücklich.«
    »Ist das schon Glück? Du tust mir wirklich leid. Aber jetzt kann man nichts mehr dran ändern; ich bereue es, daß ich leichtsinnigerweise geheiratet habe«, sagte er mir oft unter Tränen, mich in die Arme schließend. Aber ich hatte nicht das Gefühl, jetzt praktisch seine Mätresse zu sein. Auch die alte Frau, die Hausbesitzerin, machte mir die Freude zu sagen, sie betrachte mich nicht als eine Mätresse.
    »Kaum ein Ehepaar liebt sich so innig. Wenn ich euch sehe, werde sogar ich froh dabei. Wenn junge Leute sich herzlich lieben, erfreut das jeden, der es sieht.«
    Jetzt lastet auf mir kein Netz, jetzt liege ich nicht in Ketten. In Freiheit kann ich ihn nach Herzenslust lieben. Daß solche Tage je zu mir kommen würden, das hätte ich mir nie träumen lassen.
    Glückliche Tage
    Am 12. eines jeden Monats besuchte ich das Grab meines Bruders. Wenn er mitkam, haben wir uns auf dem Rückweg am Shiojiri-Paß mit Farnknospen-Sammeln vergnügt und im Herbst Pilze gesammelt.
    Einmal habe ich ihn im Wald aus den Augen verloren, und sosehr ich auch rief, es kam keine Antwort; da habe ich

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