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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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gefangen worden. Von heute an sollst du hier mit uns leben und es den Menschen heimzahlen.«
    »Ich bin den Menschen zu Dank verpflichtet, daß sie mich großgezogen haben. Auch wenn Menschen meine wirklichen Eltern getötet haben, so waren das nicht mein jetziger Vater und meine jetzige Mutter. Ich war damals noch ziemlich klein, aber ich erinnere mich noch daran. Ich war so hungrig, daß ich beinahe gestorben wäre. Mein Vater hat früh am Morgen gesagt, er wolle Futter für mich holen, aber nachdem er das Nest verlassen hatte, kam er nicht zurück, so lange wir auch warteten. Es schneite an dem Tag. Bis zum Abend warteten wir, aber er kam nicht zurück. Da flog meine Mutter los, um den Vater zu suchen. Aber auch die Mutter kam nicht zurück, auch als es dunkel wurde. Ich zitterte vor Kälte und weinte vor Hunger. Wenn es kalt war, hat mich die Mutter immer mit ihrem Gefieder gewärmt, aber jetzt, ganzallein gelassen, konnte ich es vor Angst und Einsamkeit kaum ertragen. Weil meine Augen in der Nacht nichts sehen, finde ich mich nicht zurecht, aber ich wollte trotzdem die Mutter suchen und flog aufs Geratewohl hier und da herum; ich war so traurig, daß ich nicht still im Nest bleiben konnte. Ich stieß gegen die Äste und purzelte mehrmals zu Boden. Ich rappelte mich wieder auf und flog blindlings weiter. Dann war mir, als sei ich auf freie Flur gekommen. Das dachte ich, weil ich die Schwingen ausstrecken konnte wie ich wollte, und nichts war mehr da, wogegen ich anstieß. Da sah ich von fern einen dünnen Lichtschein. Ich flog nach Kräften darauf zu. Ich war so verzweifelt, daß ich nicht mehr weiß, wie lange ich so geflogen bin. Ich glaubte, wenn ich mich dem Licht näherte, könnte ich dort meine Mutter finden. Aber noch bevor ich das Licht erreichte, fiel ich vor Hunger und Müdigkeit zu Boden. Was danach geschehen ist, weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam, wurde ich auf den warmen Knien von Menschen gestreichelt. Am Anfang hatte ich Angst vor den Menschen, aber dann merkte ich, daß sie mir nichts Böses tun. Mein jetziger Vater ist kein Jäger; deshalb haben andere Menschen meine wirklichen Eltern umgebracht. Ich wollte auch in der ersten Zeit wegfliegen, zurück in das Nest im Wald, aber als ich es mir recht überlegte, fand ich, das wäre Undank als Vergeltung für die Liebe gewesen. Es ist die aufrichtige freundliche Gesinnung der Menschen in meinem jetzigen Haus, daß sie mich gerettet haben, als ich am Sterben war, und mich bis heute großgezogen haben. Auch die Karpfen im Teich und das kleine Kätzchen umhegen die Leute sorgsam. Wenn mir das alles genommen würde, wäre das sehr traurig. Mögen die Menschen auch böse sein, so sind sie doch nicht allesamt böse. Ich bitte euch daher, damit aufzuhören, etwas zu rauben, wenigstens aus meinem Haus. Ich will alles für euch tun, was ich kann. Wenn ihrmeine Bitte nicht erfüllen wollt, dann tötet mich auf der Stelle, denn lebend die Traurigkeit der Leute meines Hauses zu sehen, das wäre mir das Allerunerträglichste.«
    So bat er unter Tränen, die ihm das Gesicht herabkullerten. Auch der König weinte gerührt.
    »Gut, deinem aufrichtigen Herzen zuliebe sei dir verziehen. Ich verspreche dir auch, daß wir nichts mehr aus deinem Haus rauben werden. Ist jemand dagegen?« fragte der König alle Versammelten.
    »Herr König, wir verzeihen Piikochan wegen seines liebevollen Herzens und werden künftig nichts mehr tun, was Piikochan traurig macht«, versprachen sie.
    Die Sonne stand kurz vor dem Untergehen, im Wald begann es zu dämmern. Als Piiko aufbrechen wollte, hielten ihn alle zurück. »Heute geht die Sonne bald unter. Diese eine Nacht solltest du im Wald übernachten und morgen früh zurückfliegen.«
    Aber er nahm von allen Abschied: »Wenn ich mich beeile, schaffe ich es vor Einbruch der Dunkelheit noch bis nach Hause.«
    Dann flog er alleine in die Richtung des Hauses, wo seine Menschen-Eltern auf ihn warteten. Piiko war schrecklich müde. Er hatte in einem Zug vom dritten Berg bis nach Hause fliegen wollen, aber dazu reichten seine Kräfte einfach nicht aus. Könnte er die weiten Lande mit einem Sprung hinter sich bringen, dann kämen gleich die Felder seines Hauses. Und der vertraute Maronenbaum wäre von weitem zu sehen. Die Sonne versank ganz hinter den gegenüberliegenden Bergen, der Abendschein färbte den Himmel rot.
    ›Ach, ich bin so müde! Ich will mich hier ein bißchen ausruhen‹, dachte er und gönnte seinen Flügeln auf

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