Die letzte Generation: Roman (German Edition)
brachten.
Die Beendigung von Streitigkeiten und Konflikten aller Art hatte auch der schöpferischen Kunst den Todesstoß versetzt. Es gab Myriaden von Künstlern, jedoch waren seit einer Generation keine wirklich hervorragenden neuen Werke der Literatur, Musik, Malerei oder Bildhauerkunst geschaffen worden. Die Welt zehrte noch vom Ruhm einer Vergangenheit, die nie zurückkehren konnte.
Niemand außer einigen Philosophen machte sich Sorgen darüber. Die Menschheit war zu sehr damit beschäftigt, die neu gewonnene Freiheit zu genießen, um über die Genüsse der Gegenwart hinauszublicken. Endlich war Utopia Wirklichkeit geworden, und der Reiz der neuen Welt wurde noch nicht vom schlimmsten Feind aller utopischen Gesellschaften bedroht – der Langeweile.
Vielleicht hatten die Overlords darauf eine Antwort, genauso wie auf alle anderen Probleme. Auch nachdem ein Lebensalter seit ihrer Ankunft verstrichen war, kannte niemand ihr endgültiges Ziel. Die Menschheit hatte gelernt, ihnen zu vertrauen und ohne Fragen die übermenschliche Selbstlosigkeit hinzunehmen, die Karellen und seine Gefährten so lange von ihrer Heimat fernhielt.
Falls es wirklich Selbstlosigkeit war. Denn immer noch fragten sich einige, ob die Politik der Overlords stets mit dem wahren Wohl der Menschheit übereinstimmen würde.
7
A ls Rupert Boyce die Einladungen zu seiner Party verschickte, ergab sich eine eindrucksvolle Summe der zurückzulegenden Entfernungen. Um nur das erste Dutzend Gäste zu nennen – da waren die Fosters aus Adelaide, die Shoenbergers aus Haiti, die Farrans aus Stalingrad, die Moravias aus Cincinnati, die Ivankos aus Paris und die Sullivans, die in der Nähe der Osterinsel wohnten, allerdings etwa vier Kilometer tief auf dem Meeresgrund. Es war sehr schmeichelhaft für Rupert, dass über vierzig Gäste erschienen, obwohl er nur dreißig eingeladen hatte. Nur die Krauses ließen ihn im Stich, weil sie die internationale Datumsgrenze nicht berücksichtigt hatten und deshalb vierundzwanzig Stunden zu spät eintrafen.
Gegen Mittag hatten sich die unterschiedlichsten Fluggleiter im Park versammelt, und die etwas später Eintreffenden würden eine längere Strecke zu gehen haben, wenn sie irgendwo einen Landeplatz gefunden hatten. Das Spektrum der Fluggefährte reichte von kleinen Einpersonen-Gleitern bis zu großen Familien-Cadillacs, die mehr Ähnlichkeit mit fliegenden Palästen hatten als mit sinnvollen Fahrzeugen.
Doch in diesem Zeitalter konnte man aus den Beförderungsmitteln keine Rückschlüsse mehr auf die gesellschaftliche Stellung der Gäste ziehen.
»Es ist ein extrem hässliches Haus!«, sagte Jean Morrel, als der Meteor langsam niederging. »Es sieht eher aus wie eine Schachtel, auf die jemand getreten ist.«
George Greggson, der eine altmodische Abneigung gegen automatische Landungen hatte, stellte den Abstiegsregulator ein, bevor er antwortete.
»Es könnte ungerecht sein, das Haus aus dieser Perspektive zu beurteilen«, erwiderte er sachlich. »Vom Boden aus mag alles ganz anders aussehen.«
George wählte einen Landeplatz, und sie gingen zwischen einem anderen Meteor und einem Gefährt nieder, das keiner von ihnen identifizieren konnte. Es sah sehr schnell und Jeans Meinung zufolge sehr unbequem aus. Wahrscheinlich hatte es einer der mit Rupert befreundeten Ingenieure selbst gebaut. Sie meinte sich erinnern zu können, dass so etwas gesetzlich verboten war.
Die Hitze schlug ihnen wie die Glut einer Lötlampe entgegen, als sie den Fluggleiter verließen. Sie schien die Feuchtigkeit aus ihren Körpern zu saugen, und George hatte fast das Gefühl, als würde seine Haut bersten. Es war natürlich zum Teil ihre eigene Schuld. Sie hatten Alaska vor drei Stunden verlassen und hätten daran denken müssen, die Kabinentemperatur entsprechend zu regeln.
»Wie kann man hier nur leben!«, stöhnte Jean. »Ich dachte, das Klima würde hier kontrolliert!«
»So ist es«, erwiderte George. »Früher einmal war hier nur Wüste, und sieh es dir jetzt an! Komm, im Haus dürfte es erträglich sein.«
Ruperts fröhliche Stimme dröhnte ihnen in leichter Überlautstärke in den Ohren. Ihr Gastgeber stand neben dem Gleiter, ein Glas in jeder Hand, und blickte mit schalkhafter Miene auf sie nieder. Und zwar blickte er auf sie nieder, weil er dreieinhalb Meter groß war. Außerdem war er transparent. Man konnte ohne große Schwierigkeit durch ihn hindurchsehen.
»Du spielst deinen Gästen ja nette Streiche«, sagte
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