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Die letzte Generation: Roman (German Edition)

Die letzte Generation: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Generation: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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mehrere Stunden und sprach in ein Aufzeichnungsgerät, während die Overlords ihm verschiedene Gegenstände von der Erde zeigten. Viele davon konnte er, wie er beschämt feststellte, nicht identifizieren. Seine Unkenntnis seiner eigenen Kultur und ihrer Leistungen war enorm. Er fragte sich, ob die Overlords trotz ihrer überragenden geistigen Fähigkeiten wirklich in der Lage waren, den gesamten Komplex der menschlichen Kultur zu erfassen.
    Vindarten führte ihn auf einem anderen Weg aus dem Museum hinaus. Wieder glitten sie mühelos durch große gewölbte Gänge, aber diesmal kamen sie an Schöpfungen der Natur, nicht des bewussten Geistes vorbei. Sullivan, dachte Jan, hätte sein Leben dafür gegeben, hier zu sein und die Wunder zu betrachten, die die Evolution auf hundert Welten hervorgebracht hatte. Doch dann fiel ihm ein, dass Sullivan vermutlich bereits gestorben war ...
    Dann befanden sie sich plötzlich auf einer Galerie hoch über einem großen, kreisrunden Raum, der vielleicht hundert Meter durchmaß. Wie üblich war kein schützendes Geländer vorhanden, und einen Augenblick lang zögerte Jan, an den Rand zu treten. Aber Vindarten stand unmittelbar an der Kante und blickte in aller Ruhe hinunter, sodass Jan vorsichtig weiterging, um sich ihm anzuschließen.
    Der Fußboden lag nur zwanzig Meter unter ihnen – viel zu nahe. Hinterher war Jan überzeugt, dass sein Führer nicht die Absicht gehabt hatte, ihn zu überraschen, und sehr betroffen über seine Reaktion war. Denn Jan hatte einen erschrockenen Schrei ausgestoßen und war vom Rand der Galerie zurückgesprungen, weil er sich dem, was unter ihm lag, instinktiv entziehen wollte. Erst als das gedämpfte Echo seines Aufschreis in der dichten Atmosphäre erstorben war, konnte er den Mut fassen, wieder vorwärts zu gehen.
    Es war natürlich leblos und starrte nicht bewusst zu ihm herauf, wie er im ersten Augenblick der Panik angenommen hatte. Es füllte fast den gesamten großen, kreisrunden Raum aus, und das rötliche Licht glänzte und schillerte in seinen kristallenen Tiefen.
    Es war ein einziges riesiges Auge.
    »Warum haben Sie solchen Lärm gemacht?«, fragte Vindarten verwundert.
    »Ich war erschrocken«, gestand Jan verlegen.
    »Aber warum? Sie haben doch nicht geglaubt, dass Ihnen hier irgendeine Gefahr drohen könnte?«
    Jan überlegte, ob er ihm erklären konnte, was eine Reflexhandlung war, beschloss aber, es nicht zu versuchen. »Alles völlig Unerwartete ist erschreckend. Bevor man eine neue Situation analysiert hat, ist es am sichersten, das Schlimmste anzunehmen.«
    Sein Herz klopfte immer noch heftig, während er erneut auf dieses monströse Auge blickte. Vielleicht war es nur ein überlebensgroßes Modell, wie von Mikroben und Insekten in irdischen Museen. Aber während er darüber nachdachte, erkannte Jan mit quälender Gewissheit, dass es nicht vergrößert war.
    Vindarten konnte ihm wenig dazu sagen. Dies war nicht sein Fachgebiet, und er war auch nicht besonders wissbegierig. Nach der Beschreibung des Overlords machte sich Jan ein Bild von einem zyklopischen Monstrum, das in den Asteroidenschwärmen einer fernen Sonne lebte, dessen Wachstum nicht durch Schwerkraft behindert wurde und dessen Nahrung und Leben von der Reichweite und Sehkraft seines einzigen Auges abhingen.
    Es schien keine Grenzen für das zu geben, was die Natur tun konnte, wenn sie dazu gedrängt wurde, und Jan empfand ein irrationales Vergnügen bei der Vorstellung, dass es doch etwas gab, was die Overlords nicht gewagt hatten. Sie hatten einen ausgewachsenen Wal von der Erde hierher gebracht, doch bei diesem Tier hatten sie eine Grenze gezogen.
     
    Und dann waren sie wieder hinaufgefahren, endlos aufwärts, bis sich die schimmernden Wände des Fahrstuhls in eine kristallene Durchsichtigkeit aufgelöst hatten. Er stand, wie es schien, ohne festen Halt zwischen den höchsten Gipfeln der Stadt, ohne jeden Schutz vor dem Abgrund. Aber er empfand kein größeres Schwindelgefühl als in einem Flugzeug, denn hier hatte er gar keine Beziehung zum fernen Boden.
    Er war über den Wolken, und nur ein paar metallene oder steinerne Spitzen ragten bis in diese Höhe auf. Wie ein rosenrotes Meer wogte die Wolkenschicht träge unter ihm. Am Himmel standen zwei blasse und kleine Monde, nicht weit von der düsteren Sonne. Unweit des Mittelpunktes der aufgedunsenen roten Scheibe war ein kleiner, dunkler, völlig kreisrunder Schatten. Es mochte ein Sonnenfleck oder ein

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