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Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Bereicherung der menschlichen Erfahrung bedeuten. Ein Mensch konnte, wenigstens für eine Weile, ein anderer werden und an irgendeinem wirklichen oder eingebildeten Abenteuer teilnehmen. Er konnte sogar eine Pflanze oder ein Tier sein, wenn es sich als möglich erwies, die Sinneseindrücke anderer Lebewesen einzufangen und wiederzugeben. Und wenn die »Vorstellung« vorbei war, würde er eine Erinnerung mitnehmen, die ebenso lebhaft wie irgendein Erlebnis seines Daseins und nicht mehr von der Wirklichkeit zu unterscheiden war.
    Die Aussicht war betörend. Viele fanden sie auch erschreckend und hofften, das Unternehmen würde mißglücken. Aber sie wußten im Innersten, daß es, wenn die Wissenschaft einmal etwas für möglich erklärt hatte, vor seiner schließlichen Verwirklichung kein Entrinnen gab.
    So war es damals um Neu-Athen und einige seiner Träume bestellt. Es hoffte das zu werden, was die alten Athener hätten sein können, wenn sie Maschinen statt Sklaven besessen hätten, Wissenschaft statt Aberglauben. Aber es war noch viel zu früh, um zu sagen, ob dieses Experiment glücken würde.
2
    Jeffrey Greggson war ein Inselbewohner, der bisher noch kein Interesse für Ästhetik oder Wissenschaft hatte, die beiden Hauptbeschäftigungen der Älteren. Aber aus rein persönlichen Gründen schätzte er die Kolonie sehr. Die in keiner Richtung weiter als wenige Kilometer entfernte See faszinierte ihn. Den größten Teil seines kurzen Lebens hatte er tief im Binnenland verbracht und hatte sich an die neue Situation, von Wasser umgeben zu sein, noch nicht gewöhnt. Er war ein guter Schwimmer und pflegte oft auf dem Rad mit anderen jungen Freunden an den Strand zu fahren, um mit Flossen und Gesichtsmaske das seichtere Wasser der Lagune zu durchforschen. Anfangs war Jean nicht sehr glücklich darüber, aber nachdem sie selbst ein paarmal getaucht war, verlor sie die Furcht vor der See und ihren seltsamen Geschöpfen und ließ Jeffrey nach Belieben herumtollen, unter der Bedingung, nie allein zu schwimmen.
    Das andere Mitglied des Greggsonschen Haushalts, das die Veränderung begrüßte, war Fey, die schöne, goldfarbene Jagdhündin, die dem Namen nach George gehörte, aber selten ohne Jeffrey zu sehen war. Die beiden waren unzertrennlich, bei Tage und, wenn Jean nicht dazwischengetreten wäre, bei Nacht. Nur wenn Jeffrey auf seinem Fahrrad davonfuhr, blieb Fey zu Haus und lag regungslos vor der Tür, um, die Schnauze auf die Pfoten gelegt, mit feuchten, traurigen Augen den Weg entlangzustarren. Das war ziemlich kränkend für George, der einen hohen Preis für Fey und ihren Stammbaum bezahlt hatte. Es sah aus, als müsse er auf die in drei Monaten zu erwartende nächste Generation warten, bis er einen eigenen Hund haben würde. Jean war darüber anderer Meinung. Sie mochte Fey gern, fand aber, daß ein Hund genüge.
    Nur Jennifer Anne war sich noch nicht ganz klar, ob ihr die Kolonie gefiel. Das war jedoch kaum überraschend, denn sie hatte bisher nichts von der Welt gesehen außer den Kunststoffwänden ihres Bettchens und hatte noch kaum eine Ahnung, daß es einen Ort wie die Kolonie gab.
    George Greggson dachte nicht oft an die Vergangenheit; er war zu sehr mit Plänen für die Zukunft beschäftigt, zu sehr durch seine Arbeit und seine Kinder in Anspruch genommen. Es kam selten vor, daß seine Gedanken durch die Jahre zu jenem Abend in Afrika zurückwanderten, und er sprach nie mit Jean darüber. In gegenseitigem Einvernehmen wurde dieses Thema vermieden, und seit jenem Tage hatten sie trotz wiederholter Einladungen nie wieder die Familie Boyce besucht. Sie riefen Rupert mit immer neuen Entschuldigungen mehrmals in jedem Jahr an, und in letzter Zeit hatte er sie in Ruhe gelassen. Seine Ehe mit Maja schien zur Überraschung aller noch immer gut zu gehen.
    Eine Folge jenes Abends war, daß Jean jedes Verlangen verloren hatte, sich mit den Rätseln an den Grenzen der bekannten Wissenschaft zu befassen. Das einfältige und unkritische Staunen, das sie zu Rupert und seinen Experimenten hingezogen hatte, war völlig verschwunden. Vielleicht war sie überzeugt worden und bedurfte keiner weiteren Beweise mehr. George zog es vor, sie nicht zu fragen. Vielleicht hatten auch ihre Mutterpflichten solche Interessen aus ihrem Geist verbannt.
    George wußte, daß es keinen Zweck hatte, sich über ein Rätsel Gedanken zu machen, das nie gelöst werden konnte, und doch erwachte er bisweilen in der Stille der Nacht und grübelte. Er

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