Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
Vom Netzwerk:
einfach war, den Schmutz zu entdecken, der sich erst beträchtliche Zeit ansammeln mußte, bis er auf Jeffs sonnverbrannter Haut sichtbar wurde.
    Abwechselnd konnte er zärtlich oder mürrisch sein, zurückhaltend oder überströmend. Er bevorzugte weder Mutter noch Vater, und die Ankunft seiner kleinen Schwester hatte keine Anzeichen von Eifersucht in ihm hervorgerufen. Seine Gesundheit war einwandfrei; er war in seinem Leben nicht einen einzigen Tag krank gewesen. Aber in diesen Zeiten und in solchem Klima war das auch nichts Ungewöhnliches.
    Jeff war keiner von den Jungen, die sich in Gesellschaft ihres Vaters langweilen und ihn möglichst bald verlassen, um zu Gleichaltrigen zu gehen. Offenbar hatte er die gleichen künstlerischen Anlagen wie George, und sobald er laufen konnte, war er regelmäßig hinter den Kulissen des Theaters der Kolonie zu finden. Beinahe sah das Theater ihn als heimlichen Talisman an, und er war schon sehr geschickt darin, Berühmtheiten von Bühne und Film, die zu Besuch kamen, Sträuße zu überreichen.
    Ja, Jeff war ein durchaus normaler Junge. Damit beruhigte sich George, wenn sie zusammen über das ziemlich begrenzte Gebiet der Insel wanderten. Sie sprachen miteinander, wie Söhne und Väter es seit Anbeginn der Zeit getan haben, außer daß es in diesem Zeitalter soviel mehr zu besprechen gab. Obwohl Jeff die Insel nie verließ, konnte er durch die allgegenwärtigen Augen der Bildschirme von der umgebenden Welt alles sehen, was er sehen wollte. Er empfand, wie alle Angehörigen der Kolonie, eine leise Verachtung für die übrige Menschheit. Die Kolonie war die Auslese, die Vorhut des Fortschritts. Sie würde die Menschheit zu Höhen führen, die die Overlords erreicht hatten, und vielleicht darüber hinaus. Sicherlich nicht morgen, aber eines Tages …
    Sie ahnten nicht, daß dieser Tag viel zu bald kommen würde.
4
    Die Träume begannen sechs Wochen später.
    In der Dunkelheit der subtropischen Nacht schwamm George Greggson langsam aufwärts, dem Bewußtsein entgegen. Er wußte nicht, was ihn aufgeweckt hatte, und einen Augenblick lang lag er in verwirrter Betäubung da. Dann begriff er, daß er allein war. Jean war aufgestanden und lautlos ins Kinderzimmer gegangen.
    Sie sprach leise mit Jeff, zu leise, als daß er hätte hören können, was sie sagte.
    George schwang sich aus dem Bett, ging ihr nach, und überlegte, was Jean gestört haben mochte.
    Das einzige Licht im Kinderzimmer kam von den mit Leuchtfarbe gemalten Mustern an den Wänden. Bei ihrem matten Schimmer konnte George Jean neben Jeffs Bett sitzen sehen. Sie drehte sich um, als er hereinkam, und flüsterte: »Stör Püppi nicht!«
    »Was ist los?«
    »Ich wußte, daß Jeff mich brauchte. Dadurch bin ich aufgewacht.«
    Die nüchterne Einfachheit dieser Erklärung rief in George ein Gefühl banger Befürchtung hervor. ‚Ich wußte, daß Jeff mich brauchte.’ Wie konnte sie das wissen? fragte er sich, sagte aber nur: »Hat er Alpträume gehabt?«
    »Ich weiß es nicht genau«, sagte Jean. »Er scheint jetzt wieder ganz in Ordnung zu sein. Aber er war verängstigt, als ich hereinkam.«
    »Ich war gar nicht ängstlich, Mammi«, sagte eine kleine, empörte Stimme. »Aber es war so ein merkwürdiger Platz.«
    »Was war es?« fragte George. »Erzähle mir alles darüber.«
    »Da waren Berge«, sagte Jeff verträumt. »Sie waren sehr hoch, aber es lag kein Schnee auf ihnen, so wie auf den Bergen, die ich sonst gesehen habe. Einige von ihnen brannten.«
    »Du meinst – Vulkane?«
    »Nicht eigentlich. Sie brannten ganz und gar, mit merkwürdigen, blauen Flammen. Und während ich sie betrachtete, ging die Sonne auf.«
    »Weiter. Warum hörst du auf?«
    Jeff sah seinen Vater verwirrt an. »Das ist das andere, was ich nicht verstehe, Paps. Sie ging so schnell auf, und sie war viel zu groß. Und … es war nicht die richtige Farbe. Es war so ein schönes Blau.«
    Ein langes Schweigen, bei dem das Herz zu frösteln begann, folgte. Dann sagte George ruhig: »Ist das alles?«
    »Ja, ich begann mich einsam zu fühlen, und dann kam Mammi und weckte mich.«
    George zauste das wirre Haar seines Sohnes mit einer Hand, während er mit der andern den Schlafanzug fester um sich zog. Er fühlte sich plötzlich sehr kalt und sehr klein. Aber in seiner Stimme war nichts davon zu spüren, als er jetzt zu Jeff sagte: »Das ist nur ein dummer Traum. Du hast zum Abendbrot zuviel gegessen. Vergiß das alles, schlafe weiter und sei ein guter

Weitere Kostenlose Bücher