Die letzte Hürde
Auto.“
Es war erstaunlich, daß es gelang, vor dem alten Heiner Petersen die Vorbereitungen für das große Fest geheimzuhalten, denn im Internat wurde über nichts anderes gesprochen. Petersen wunderte sich allenfalls über Billes häufige Abwesenheit im Stall, aber das schob er auf das besonders anstrengende letzte Schuljahr und die bevorstehende Fahrprüfung.
Die Feier sollte in der Internats-Reithalle stattfinden, ein Umstand, der der strengen Geheimhaltung entgegenkam, denn stets konnte einer an der Tür Wache halten und nur diejenigen hineinlassen, die an dem Unternehmen beteiligt waren. In fieberhafter Eile wurden die Nummern einstudiert, während andere damit beschäftigt waren, den Raum üppig mit grünen Zweigen und Topfpflanzen auszustatten, auf der Empore eine lange Tafel für das Buffet aufzubauen, einen Ehrensessel für Petersen mit einer Buchsbaumgirlande zu schmücken und auf der Zuschauertribüne Platz für das Orchester zu machen.
Sie hatten kaum daran geglaubt, daß die Vorbereitungen pünktlich abgeschlossen sein würden, doch es klappte. Diejenigen, die das Nähen der Kostüme übernommen hatten, mußten zwar eine Nachtschicht einlegen, doch das war ihnen der Spaß wert.
Das Fest fand an einem Samstag statt. Hans Tiedjen hatte den alten Petersen zu sich zum Abendessen eingeladen und bat ihn, zunächst einmal mit ihm in den Schulstall hinüberzugehen, um eine Neuerung in der Halle zu begutachten.
Es war dunkel, als sie die Halle betraten, die Fenster waren mit Tüchern verhängt, allenfalls der Duft der Blumen und Pflanzen verriet, daß hier etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Hans Tiedjen ließ Petersen vorangehen und schloß hinter ihm die Tür. Im gleichen Moment flammte das Licht auf, und das Schulorchester intonierte „... for he’s a jolly good fellow “. Alle sangen kräftig mit, die Halle schien unter der Begeisterung der Stimmen zu erzittern.
Jetzt trat Hubert auf Heiner Petersen zu und führte ihn zu seinem geschmückten Ehrensessel. Der alte Mann wußte kaum, wie ihm geschah, verwirrt sah er sich nach Tiedjen um. Der nickte ihm lächelnd zu und nahm an seiner Seite Platz. Hubert eilte davon, um den Reitern vor ihrem Auftritt hilfreich beizustehen. Das Orchester begann mit einem Festmarsch, und die Show begann.
Es war erstaunlich, was die jungen Reiter in der kurzen Zeit einstudiert hatten. Einzelritte wechselten mit Quadrillen und eindrucksvollen Vorführungen der Voltigiergruppe ab. Mini hatte ihren Zirkusauftritt und erwies sich einmal mehr als hervorragende Artistin. Die Ponys traten als Clowns auf - von Clowns geritten. Dazwischen gab es Märchenszenen, einen historischen Ritterkampf und die Entführung einer arabischen Prinzessin. Dieses Bild hatte sich Mini ausgedacht, die natürlich auch die Prinzessin spielte. Gedämpftes blaues Licht und arabische Musik gaben den Hintergrund für die eindrucksvolle Szene ab, die mit einem Schleiertanz vor einem Nomadenzelt begann und darin gipfelte, daß Beppo auf seiner Araberstute Sahida in die Halle stürmte, dreimal die Bahn umrundete und Mini schließlich im vollen Galopp auf sein Pferd zog. Rauschender Applaus folgte den beiden für ihre gelungene Darbietung.
Der alte Petersen wischte sich abwechselnd Tränen der Rührung und des Lachens aus den Augen, er war außer sich vor Staunen und Bewunderung und murmelte immer wieder: „Und das alles ist für mich! Ich kann’s nicht glauben! Das alles extra für mich!“
Die Vorführung neigte sich dem Ende zu. Vor der Halle versammelten sich Reiter und Pferde zum Abschluß-Aufmarsch. Ein letzter Auftritt blieb noch: Bille und Hannes Horbach in einem Pas -de- deux , den Hannes einstudiert hatte. Jeden Tag hatten sie geduldig auf dem Wedenbrucker Reitplatz geprobt.
Es wurde mucksmäuschenstill in der Halle. Diesmal kam die Musik vom Band, es war ein Zusammenschnitt aus verschiedenen Musical-Melodien. Bille ritt eines der beiden auf Dressur spezialisierten Pferde von Hannes. Dressur zu reiten war für Bille eine völlig neue Erfahrung, und ihr war, als verschmölze alles zu einem: die Musik, die Bewegungen ihres Pferdes mit den Bewegungen des anderen Reiters und seines Pferdes. Wie Rädchen einer Uhr schien das ineinanderzugreifen und sich zu einem Gesamtbild zu formen von einer nie vorher erlebten Harmonie. Bille fühlte sich wie auf Wolken.
Als sie ihren Ritt beendet hatten, herrschte einen Augenblick tiefe Stille. Dann brach ein Applaus los, der alles in den Schatten stellte,
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