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Die letzte Hürde

Die letzte Hürde

Titel: Die letzte Hürde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Caspari
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Kuchen duftete.
    Zottel schob sich zwischen den Tischen durch zum Eingang hin. Viel Platz war nicht für jemanden seiner Größe, und so blieb es nicht aus, daß er ungewollt das eine und andere mitgehen ließ. Der dicken Frau Hanslmaier aus Bayern, die ihrem Mann gerade einen Vortrag über die Schädlichkeit seines Zigaretten-Konsums hielt, fegte er mit dem Schweif ihren Cappuccino auf die Seidenbluse, das Sahnehäubchen schaffte es bis zum Kinn hinauf und hing dort wie ein weißer Ziegenbart. Bei Familie Schmidt stieß er an den Tisch, so daß Rolfi , dem eine dritte Cola fordernden Jüngsten, der Rotwein aus dem Glas des Vaters ins Gesicht spritzte, so daß er aussah, als hätte er die Masern bekommen. Um den Tisch des Damenkegelclubs aus Bremen machte Zottel zwar eine flotte Kurve, doch er konnte nicht verhindern, daß er an einem Stuhlbein hängenblieb, der Stuhl sich nach vorn senkte und die darauf sitzende Grete Ohlsen unversehens mit dem Gesicht in ihrer Eisschale landete. Mit exotischen Früchten, Likör und Sahne*
    Das alles ging so schnell, daß keiner wirklich begriff, was geschehen war. Ehe sie den Störenfried identifiziert hatten, war der im Innenraum verschwunden, packte mit dem Maul geschickt die auf der Theke in einem Glas bereitstehenden Eiswaffeln und verließ das Lokal durch den offenen Hinterausgang.
    „Willi, wer war das?“ fragte Frau Hanslmaier mit vor Empörung zitternder Stimme. „Ich verlange, daß du ihn zur Rede stellst! Er muß für den Schaden aufkommen, der Kerl!“
    Willi Hanslmaier verbarg einen Lachanfall hinter seinem Taschentuch. Für den hätte seine bessere Hälfte kaum Verständnis gehabt, so versuchte er sie zu begütigen. „Ach, laß doch, Mausi, ich konnte die Bluse sowieso nie leiden. Er hat es ja nicht mit Absicht getan. Oder sie... was weiß ich.“ Fassungslos starrte seine Frau ihn an. Und es wurde ein schwieriger Abend für den armen Willi Hanslmaier , und ganz anders, als er ihn sich vorgestellt hatte!
    Die Empörung an den anderen Tischen war nicht weniger groß. Man rief nach der Kellnerin, nach dem Chef, doch keiner konnte erklären, was wirklich geschehen war. Willi Hanslmaier schwieg beharrlich und wußte über den Täter nur zu sagen, daß er halt so ein Langhaariger gewesen sei. Nur Rolfi meldete sich begeistert mit der Mitteilung zu Wort, es sei ein riesengroßes Pferd gewesen, und erntete für diese „dumme Bemerkung“ von seinem genervten Vater einen Anschnauzer.
    Corinna blickte ratlos von einem Tisch zum nächsten, sie wußte nicht, was sie von allem halten sollte. Sie war doch nur zwei Minuten in der Küche gewesen! Wenn ich mir die Spur so ansehe, dachte sie, muß es wohl so ’ne Art Kugelblitz gewesen sein!
    Der Kugelblitz hatte inzwischen den Häuserblock umrundet und war vor dem Hauptgebäude des Ferienparks stehengeblieben. Im großen Festsaal schien etwas los zu sein; offenbar wurde nicht nur in Groß-Willmsdorf gefeiert. Hier allerdings fehlte die Musik; Zottel hörte laute Stimmen, ein kurzes Lachen, dann war wieder alles still.
    Hätte Zottel lesen können, dann hätte ihn das große Plakat an der Tür darüber belehrt, daß hier heute die Bauernbühne Leesten zu Gast war und für die Urlauber des Ferienparks das Drama Der falsche Schwiegersohn aufführte. So trottete Zottel ein wenig unschlüssig mal hierhin, mal dorthin und hob immer wieder prüfend die Nase, ob vielleicht doch noch irgendwo etwas Eßbares zu entdecken war. Die paar Eiswaffeln waren wirklich nicht der Mühe wert gewesen! Aber so sehr er auch suchte, Zottel schien heute kein Glück zu haben.
    Nun, wenigstens ein bißchen Spaß haben wollte er bei seinem Ausflug. Und wo fand man Spaß? Dort, wo sich Menschen aufhielten. Das große Portal zum Festsaal hatte er geschlossen vorgefunden, nicht aber die Hintertür, die zum rückwärtigen Teil der Bühne führte. Zottel stakste vorsichtig ins Halbdunkel, stieg die wenigen Stufen hinauf und stand in einem schwachbeleuchteten Raum, dessen Geruch nach Farbe und Leim ihn an den Zirkus erinnerte.
    Eng war es hier, er konnte sich kaum rühren. Und weit und breit nichts zu fressen. Oder doch? Ein leichter Duft nach August-Äpfeln lag in der Luft. Jenseits der dünnen Holzwand war es hell, da gab es eine freundliche Stube, Menschen standen neben dem Tisch und redeten heftig aufeinander ein. Und auf dem Tisch stand doch tatsächlich eine Schale mit Äpfeln! Zottel konnte sie durch ein Fenster sehen, das nur mit einer dünnen Gardine

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