Die letzte Jungfrau ...
seine Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, dann sah er sich erstaunt um. “Hier sieht es ja sauber und ordentlich aus.”
“Ich raffe mich gelegentlich dazu auf, Staub zu wischen und zu lüften”, erklärte Annie.
“Und was sagen die Leute dazu?”, fragte Sam und sah sie amüsiert an. “Oder erwartet man solche guten Taten von Sankt Annie?”
Sie ballte die Hände zu Fäusten und schob sie rasch in die Rocktaschen, aber er hatte noch gesehen, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Er fand es interessant, dass sie auf den durchaus anerkennend gemeinten Beinamen, den die Inselbewohner ihr gegeben hatten, so heftig reagierte.
“Ich kann nichts dafür, was die anderen über mich denken und wie sie mich nennen”, informierte sie ihn. “Jedenfalls komme ich nicht hierher, um ihnen eine Freude zu machen.”
Und weshalb kam sie wirklich in sein Haus? “Wir haben hier gemeinsam schöne Stunden verlebt, Annie. Denkst du manchmal daran, wenn du herkommst?”
Offensichtlich hatte er schon wieder einen wunden Punkt berührt. Sie wandte sich ab und ging energisch zur Treppe. “Also, wir gehen zuerst auf den Speicher, um den Schaden am Dach zu begutachten, richtig?”, fragte Annie und blickte kurz zurück.
Als Sam nickte, stieg sie anmutig die Stufen hinauf. Er folgte ihr und bewunderte dabei ihren schönen, geraden Rücken und die taillenlangen blonden Locken. Ihr wadenlanger Rock schmiegte sich bei jedem Schritt an ihre schlanken Beine, und diesen Anblick fand Sam seltsamerweise erotisch aufreizender, als wenn sie einen so knappen Mini getragen hätte wie die Frauen, mit denen er in New York gelegentlich ausging.
Auf dem Dachboden war es beinah unerträglich heiß und stickig. An einem Ende des Raums waren Bretter von unten angenagelt worden, und das eine winzige Fenster war mit einer Plastikplane verhüllt. Annie eilte zum gegenüberliegenden Giebel und versuchte, das dort befindliche Fenster aufzustoßen, aber es gelang ihr nicht.
Sam ging ebenfalls hin und blieb hinter ihr stehen. Anscheinend fühlte sie sich dadurch bedrängt, denn sie verkrampfte sich sichtlich. “Lass mich mal ran”, sagte er sachlich.
Sie wich so weit wie möglich beiseite, aber das schräge Dach ließ ihr nicht viel Spielraum, weit weniger vermutlich, als ihr lieb gewesen wäre. Sam bemerkte die Schweißperlen auf ihrer Stirn und nahm den zarten Duft ihrer Haut wahr — einen Duft wie von Sommerblumen und einer frischen Meeresbrise. Ja, an dieses Parfüm erinnerte er, Sam, sich noch genau.
Er gab dem Fensterrahmen einen kräftigen Stoß, und es öffnete sich. Feuchtmilde Luft strömte in den stickigen Raum. Annie schloss die Augen und zerrte am Oberteil des Kleids, das ihr auf der Haut klebte. Im Gegenlicht war der dünne Stoff so transparent, dass Sam Annies rosige Brustknospen sah. Er konnte den Blick nicht von diesem verführerischen Bild wenden und war sich sicher, diesen Moment sein Leben lang nicht zu vergessen.
Langsam öffnete Annie die Augen wieder, die nun ganz dunkel wirkten — wie von bittersüßen Erinnerungen umschattet. Unwillkürlich öffnete sie leicht die Lippen, ganz so, als sehnte sie sich nach einem Kuss. Sam musste sich zusammenreißen, um sie nicht in die Arme zu nehmen, sie an sich zu pressen und ihr die sinnlichen Freuden zu schenken, nach denen es sie offensichtlich verlangte. So einfach wollte er sie allerdings nicht für sich gewinnen, denn er wünschte sich nicht lediglich erotische Befriedigung, sondern wahre Liebe. Ja, nur mit zugleich körperlicher und seelischer Hingabe würde er sich jemals zufriedengeben.
“Was genau wolltest du mir zeigen, Annie?”, fragte er rau.
Anscheinend wurde ihr plötzlich bewusst, welchen aufreizenden Anblick sie bot, denn sie legte sich die Hände schützend über die Brust.
“Du hast vermutlich jemand bestellt, der das Loch im Dach zugenagelt hat”, fügte Sam hinzu.
Beeindruckend schnell gewann Annie ihre übliche Gelassenheit zurück. “Ja, aber das ist natürlich nur eine provisorische Reparatur.” Energisch ging sie an ihm vorbei zur anderen Seite des Speichers. “Hörst du mir überhaupt zu, Sam?”
“Ich hänge förmlich an deinen Lippen”, versicherte er ihr ernst.
Zufrieden machte sie eine weit ausholende Geste mit dem Arm. “Dieser Bereich muss wahrscheinlich völlig erneuert werden. Dabei kannst du gleich überprüfen, ob sich Trockenfäule oder Termiten eingenistet haben. Die Eichhörnchen und Fledermäuse habe ich schon
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