Die letzte Jungfrau ...
war schockiert. “Sie hat sich meinetwegen mit dir in Verbindung gesetzt?”
“Ihre genauen Worte waren: ‘Annie hat mehr Nöte, als es Mücken im Gaul-Sumpf gibt’.”
“Ich garantiere dir, es gibt dort mehr Moskitos und sogar mehr versunkene Gäule als Probleme in meinem Leben.”
“Das glaube ich dir nicht.”
“Du warst noch nie besonders vertrauensvoll, Sam. Genauer betrachtet, ist das wahrscheinlich dein größter Fehler.”
“Was für ein vernichtendes Urteil!” Er strich ihr das zerzauste Haar aus dem Gesicht. “Na los, Annie, erzähl mir, was dich belastet. Myrtle hätte mich doch nicht ohne Grund gebeten zurückzukommen.”
“Du …” Sie befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen und vermied es, ihn anzusehen. Denn wenn sie das tun würde, wäre sie verloren. “Du bist meinetwegen zurückgekommen?”
“Richtig.”
“Weil du dachtest, etwas stimmt nicht mit mir?”
“Das ist einer der Gründe.”
Nun war ihr Interesse vollends geweckt. “Und was sind die anderen?”
Sam schüttelte den Kopf. “Nicht so schnell, Schatz. Zuerst beantwortest du meine Fragen. Was stimmt nicht? Warum benimmst du dich so seltsam? Dir ist doch klar, dass Myrtle vor Sorge außer sich ist, oder?”
“Ich wollte sie nicht beunruhigen, wirklich nicht, Sam! Ich habe keine Probleme.” Jedenfalls keine, über die sie mit ihm oder sonst jemand sprechen konnte.
“Myrtle hat sich also alles nur eingebildet?”
Nein, dem konnte sie nicht zustimmen. Das wäre nicht fair gewesen, und sie liebte Myrtle doch mehr als jeden anderen Menschen auf der Insel. “Nein, das würde ich so nicht sagen.”
“Ich auch nicht. Nicht, wenn du wie ein gedankenloser Teenager auf meinem Motorrad durch die Stadt rast, dein Haar bunt wie einen Regenbogen färbst und dir auch noch den Nabel piercen lässt. Also, was ist los?”
“Nichts!” Sie musste weg von hier. Sofort. Bevor er ihr die Wahrheit entlockte. Annie versuchte, sich aus seiner Umarmung zu befreien, und bemerkte dabei etwas zugleich Schockierendes und Erregendes: Er war völlig nackt.
Noch nie war sie so schnell aus dem Bett gekommen. Im einen Moment hatte sie sich noch in Sams Arme geschmiegt, im nächsten stand sie am anderen Ende des Zimmers, zitternd wie eine Katze, die man mit Wasser begossen hatte.
4. KAPITEL
“Zieh dir was an, Sam!”, rief Annie aufgebracht. Als das keine Wirkung zeigte, hielt sie sich die Hände vor die Augen. “Wenigstens die Hose, wenn du nicht willst, dass ich den Verstand verliere.” Und womöglich zu dir ins Bett zurückkomme, fügte sie im Stillen hinzu.
“Gern. Sobald du meine Frage beantwortet hast.”
Welche Frage? Im Moment konnte sie sich nicht einmal an ihren Namen erinnern, geschweige denn an irgendwelche Fragen. “Okay. Die Antwort lautet ja.”
Er seufzte und stand auf. “Du hast keine Ahnung, was ich dich gefragt habe, stimmt’s?”
“Nein. Würdest du dir jetzt die Hose anziehen?”
“Die habe ich an. Jedenfalls so gut wie”, fügte er hinzu, nachdem sie die Hände hatte sinken lassen.
Er trug zwar jetzt die Jeans, hatte diese allerdings noch nicht zugeknöpft. “Das ist nicht fair”, informierte Annie ihn und wandte mühsam den Blick von seinem straffen Bauch ab.
“Das Leben ist nun mal hart. Daran solltest du dich gewöhnen. Und um deine Erinnerung aufzufrischen: Ich hatte dich gefragt, was los ist.”
“Abgesehen davon, beim Aufwachen einen nackten Mann in meinem Bett zu finden?”
Sam lächelte breit. “Das passiert dir also nicht jeden Tag?”
“Nein, wie du verdammt gut weißt.”
“Natürlich, du hast ja ein Schild vors Haus gehängt, das deine Unbe…scholtenheit verkündet.”
“Genau. Und ich habe keinerlei Probleme, sondern bin glücklich und zufrieden mit meinem Leben.” Es fiel ihr schwer, in Gegenwart eines spärlich bekleideten Mannes möglichst beiläufig zu antworten. Oder war sie befangen, weil sie nur ein dünnes Nachthemd trug? Als ihr klar wurde, dass sie Sam wahrscheinlich einen ebenso interessanten Anblick bot wie er ihr, zog sie rasch ihren Morgenmantel an.
“Ich wohne mit der liebsten Frau der Welt zusammen, habe einen wundervollen Beruf, der mich ausfüllt, und lebe auf einer der schönsten Inseln dieses Landes”, zählte Annie dann auf. “Was könnte mir also fehlen?”
“Vielleicht ein Ehemann und Kinder?”
Dass er unverfroren genug war, ausgerechnet das zu fragen, erbitterte Annie. Aber Sam war ja schon immer so gewesen und hatte sich von nichts
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