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Die letzte Jungfrau ...

Die letzte Jungfrau ...

Titel: Die letzte Jungfrau ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Day Leclaire
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Supermarkt war, seit wir von Soundings zurück sind.”
    “Alle reden darüber, dass du dich lieber aus dem Fenster gestürzt hast, als ein ‘Schicksal schlimmer als der Tod’ zu erdulden.” Er schüttelte angewidert den Kopf. “Nichts kann die Legende von Sankt Annie zunichtemachen.”
    “Ach, halt den Mund!”
    “Nur: Halt den Mund? Du kannst doch auch richtig fluchen. Ich weiß das.” Sam lächelte breit. “Rolly, Ben und der Bürgermeister wissen es ebenfalls.”
    “Allerdings bezweifle ich, dass sie mich verpetzen werden”, erwiderte Annie missmutig.
    “Wie wahr! Es würde ihnen ohnehin niemand glauben. Nicht jetzt, da dein Heiligenschein heller strahlt denn je.”
    “Das ist lachhaft.” Sie zuckte zusammen, als Myrtle ihr einen Splitter aus dem Knie zog. “Wie hast du den Ruf, eine Heilige zu sein, nur all die Jahre ausgehalten, Tante Myrtle?”
    “Ich galt nie als Heilige, sondern war immer nur die gute alte Myrtle.”
    “Du konntest nach Ansicht der anderen aber nichts falsch machen. Hast du dich nie gefragt, was passieren würde, wenn sie herausfinden sollten, dass du auch nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen bist?”
    Annie wusste, dass alle in der Stadt Sams Mutter geächtet hatten, nur weil sie unehelich geboren worden war, wofür sie ja nichts konnte. Sam war als Kind deswegen ständig gehänselt worden, und das hatte ihn verbittert.
    “Jeder hier weiß, dass ich meine Fehler habe”, antwortete Myrtle.
    “Trotzdem: Du bist gut und lieb. Was, wenn die Leute eines Morgens aufwachen und beschließen würden, dich nicht länger für gut und lieb zu halten?”
    Myrtles dunkle Augen glitzerten amüsiert. “Das würde bezüglich meiner Person nichts ändern, Dummerchen. Es würde nur die Meinung der anderen über mich ändern. Ist dir das noch nicht klar geworden?”
    “Worum geht es hier eigentlich?”, fragte Sam unvermittelt.
    “Nichts.” Annie zuckte die Schultern. “Wahrscheinlich bin ich nur einfach meinen Heiligenschein leid.”
    “Dann spring nächstes Mal nicht aus dem Fenster, um mir und meinen bösen Absichten zu entrinnen. Vielleicht nennt man dich anschließend ‘die verruchte Delacorte’. Würde dir das besser gefallen?”
    Ja, antwortete sie im Stillen. Laut sagte sie: “Ich möchte die Leute nicht enttäuschen.” Die würden allerdings enttäuscht sein, wenn sie die Wahrheit über sie entdeckten. Das konnte sie Sam aber nicht erzählen — obwohl er es wahrscheinlich schon bald herausfinden würde.
    Sam betrat vorsichtig Myrtles Haus und ging leise durch die dunkle Diele. Es war weit nach Mitternacht, und die beiden Frauen schliefen längst. Er wäre auch schon früher ins Bett gegangen, wenn er nicht eine geschäftliche Angelegenheit zu regeln gehabt hätte. Als die drei ‘Musketiere’ auf seinem Besitz erschienen waren, um Annie zu ‘retten’, war er sehr überrascht gewesen. Seine Drohung, ihnen Schwierigkeiten zu bereiten, wenn sie sich einmischten, hatte sie offensichtlich nicht eingeschüchtert. Er hatte nicht bedacht, dass sie drei anständige, wohlmeinende Männer waren, die für Annie echte Zuneigung empfanden und um ihr Wohlergehen besorgt waren.
    Das konnte er ihnen nicht zum Vorwurf machen. Auch er hegte tiefe Gefühle für Annie.
    Eine interessante Frage blieb allerdings noch offen, und er war fest entschlossen, das Rätsel demnächst zu lösen: Als er die drei gefragt hatte, woher sie gewusst hätten, dass er mit Annie allein auf Soundings war, waren ihre Lippen wie versiegelt gewesen. Anscheinend verlangte es ihr Ehrgefühl, dass sie ihren Informanten nicht verrieten. Das war Sam jedoch egal, denn ihm würden sich in den kommenden Wochen viele Gelegenheiten bieten, den Schuldigen herauszufinden — und alte Rechnungen mit ihm zu begleichen.
    Geräuschlos ging Sam die Treppe hinauf. Sein früheres Zimmer lag am Ende des Flurs und bot einen Ausblick auf die Wälder. Annie war nicht die Einzige, die Schlafzimmer im ersten Stock durchs Fenster verließ. Auch er hatte das in seiner wilden Jugendzeit regelmäßig getan, allerdings war er den Baum vor dem Fenster hinuntergeklettert, statt von ihm abzustürzen. Sam öffnete leise die Tür und ging ins Zimmer, ohne das Licht anzuknipsen.
    Er zog sein Hemd und die Jeans aus und ließ sie auf den Boden fallen. Dann ging er müde ins Bett. Es war wirklich großartig, wieder zu Hause zu sein. Trotz allem, was man ihm hier angetan hatte, fühlte er sich nur auf dieser Insel heimisch. Sie war etwas ganz

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