Die letzte Kolonie
Beisitzer. Ich nahm mir einen Moment Zeit, um ihn zu mustern. Es war General Laurence Szilard, der Leiter der Spezialeinheit.
Seine Teilnahme an dieser Untersuchung machte mich sehr nervös. Es gab keinen vernünftigen Grund, warum ausgerechnet er anwesend war. Er stand in der bürokratischen Hierarchie mehrere Ebenen weiter oben als Butcher oder Berkeley. Dass er gelassen im Ausschuss saß – und nicht einmal den Vorsitz über das Gremium führte -, war etwa so, als hätte man einen Babysitter, der im Hauptberuf Fachbereichsleiter an der Harvard University war. Es passte einfach nicht zusammen. Wenn er entschied, dass ich Ärger bekommen sollte, weil ich eine Mission der Spezialeinheit gestört hatte, spielte es letztlich gar keine Rolle, was die anderen beiden Mitglieder dieses Ausschusses dazu meinten. Ich würde in jedem Fall mächtigen Ärger bekommen. Und das verursachte mir Übelkeit.
Darüber hinaus war ich sehr neugierig auf diesen Mann. Er war der General, dem meine Frau den Hals umdrehen wollte, weil er sie in eine Soldatin der Spezialeinheit zurückverwandelt hatte – ohne ihre Erlaubnis und, wie ich vermutete, auch ohne Gewissensbisse. Ein Teil von mir fragte sich, ob ich meiner Frau den Gefallen tun sollte, ihm stellvertretend
den Hals umzudrehen. Doch angesichts der Tatsache, dass er als Angehöriger der Spezialheit wahrscheinlich in der Lage wäre, mich in der Luft zu zerreißen, selbst als ich noch einen genetisch aufgerüsteten Körper gehabt hatte, bezweifelte ich, dass ich viel gegen ihn ausrichten würde, nachdem ich nun wieder ein Normalsterblicher war. Jane würde es vermutlich nicht gut finden, wenn ein solcher Versuch damit endete, dass mir der Hals umgedreht wurde.
Szilard wartete mit entspannter Miene auf meine Antwort.
»Ich hatte keinen Grund zur Annahme, dass er wirklich kapitulieren würde«, sagte ich.
»Aber sie haben ihn trotzdem dazu aufgefordert«, sagte Szilard. »Um ihre Kolonie zu retten, wie Sie behaupten. Ich finde es interessant, dass sie ihn zur Kapitulation aufgefordert haben, statt ihn zu bitten, Ihre Kolonie zu verschonen. Wenn es Ihnen nur darum gegangen wäre, das Leben Ihrer Kolonisten zu retten, wäre das nicht die klügere Vorgehensweise gewesen? In den Informationen, die Ihnen von der Kolonialen Union über den General zur Verfügung gestellt worden waren, gab es keinen Hinweis, dass er vielleicht zu einer Kapitulation bereit wäre.«
Vorsicht , flüsterte es in meinem Hinterkopf. Szilards Formulierung schien darauf hinzudeuten, dass er glaubte, ich könnte diese Information aus anderen Quellen erhalten haben. Was der Fall war, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass er es wusste. Wenn er es doch wusste und ich log, würde ich immer tiefer in die Scheiße geraten. Entscheidungen, Entscheidungen.
»Ich wusste von Ihrem geplanten Angriff«, sagte ich. »Vielleicht hat mich das zu übermäßiger Zuversicht verleitet.«
»Also geben Sie zu, dass Ihre Worte an General Gau für ihn
ein Hinweis hätten sein können, dass unser Angriff bevorsteht«, sagte Berkeley.
»Ich bezweifle, dass er mehr darin gesehen hat als den tapferen Versuch eines Kolonialverwalters, seine Leute zu retten.«
»Trotzdem verstehen Sie jetzt, wie Ihre Handlungsweise aus der Perspektive der Kolonialen Union betrachtet die Mission sowie die Sicherheit nicht nur Ihrer Kolonie, sondern der gesamten KU hätten gefährden können?«, fragte Butcher.
»Meine Handlungsweise kann auf unterschiedliche Weise interpretiert werden. Ich kann lediglich meine eigene Interpretation vertreten. Ich habe getan, was meines Erachtens notwendig war, um meine Kolonie und ihre Bewohner zu schützen.«
»In Ihrem Gespräch mit General Gau geben Sie zu, dass Sie ihm das Angebot, sich mit seiner Flotte zurückzuziehen, eigentlich nicht hätten machen dürfen«, sagte Berkeley. »Sie wussten, dass Ihr Angebot an den General unseren Wünschen widerspricht, woraus sich schließen lässt, dass wir Sie genauestens über unsere Wünsche informiert haben. Wenn der General die Geistesgegenwart besessen hätte, diese logische Schlussfolgerung zu ziehen, wäre der geplante Angriff offensichtlich geworden.«
Ich hielt inne. Die Sache wurde immer absurder. Damit will ich nicht sagen, dass ich eine schnelle Aburteilung bei dieser Untersuchung erwartet hatte. Ich hatte nur gedacht, dass man etwas subtiler vorgehen würde. Aber Butcher hatte bemerkt, dass es in letzter Zeit recht hektisch zuging. Warum sollte sich dieser
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