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Die letzte Kolonie

Titel: Die letzte Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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wird dafür sorgen, dass es sich für Sie beide lohnt. Sie bekommen Ihr Leben hier zurück. Und Sie werden sich darum kümmern, dass die Roanoke-Kolonie überlebt. Denken Sie darüber nach. Aber entscheiden Sie sich möglichst bald.«

    Als ich aufwachte, lag Jane nicht neben mir. Ich fand sie vor unserem Haus, wo sie auf der Straße stand und zu den Sternen hinaufblickte.
    »Du wirst noch überfahren, wenn du die ganze Zeit auf der Straße stehst.« Ich hatte mich ihr von hinten genähert und die Hände auf ihre Schultern gelegt.
    »Hier gibt es nichts, von dem man überfahren werden
könnte.« Jane drückte meine linke Hand. »Selbst am Tag besteht hier kaum die Gefahr, überfahren zu werden. Schau sie dir an!« Mit der rechten Hand zeigte sie auf die Sterne und zeichnete ein paar Konstellationen nach. »Da, der Kranich. Der Lotus. Die Perle.«
    »Ich konnte mir die Sternbilder von Huckleberry nie richtig merken«, sagte ich. »Ständig suche ich nach denen, die mir viele Jahre lang vertraut waren. Ich blicke in den Himmel und erwarte immer noch, den Großen Wagen oder den Orion zu sehen.«
    »Ich habe mir nie die Sterne angesehen, bevor wir hierherkamen«, sagte Jane. »Ich meine, ich habe sie schon gesehen, aber sie hatten für mich keine Bedeutung. Es waren einfach nur Sterne. Doch hier fing ich plötzlich an, Sternbilder zu lernen.«
    »Ich erinnere mich.« Ich erinnerte mich wirklich. Vikram Banerje, der auf der Erde Astronom gewesen war, hatte uns in den ersten Jahren in Neu-Goa sehr häufig besucht und Jane geduldig die Konstellationen des Himmels erklärt. Er starb, kurz nachdem er Jane sämtliche Sternbilder von Huckleberry beigebracht hatte.
    »Zuerst habe ich sie gar nicht wahrgenommen«, sagte Jane.
    »Die Sternbilder?«
    Jane nickte. »Vikram hat sie mir gezeigt, und ich habe nur einen Haufen Sterne gesehen. Dann holte er eine Karte hervor, und dort waren sie mit Linien verbunden. Dann blickte ich zum Himmel und sah wieder nur … Sterne. Und so blieb es für längere Zeit. Doch dann, eines Abends, als ich von der Arbeit nach Hause ging, blickte ich auf und sagte mir: ›Da ist der Kranich.‹ Plötzlich habe ich ihn gesehen. Ich habe den Kranich
gesehen. Ich habe die Konstellationen gesehen. Da wusste ich, dass diese Welt meine neue Heimat geworden war. Das war der Moment, in dem ich wusste, dass ich hierbleiben würde. Dass diese Welt meine Welt ist.«
    Ich ließ meine Hände an Janes Körper herabgleiten und hielt sie an den Hüften.
    »Aber diese Welt ist nicht deine Welt, nicht wahr?«, fragte Jane.
    »Meine Welt ist dort, wo du bist«, sagte ich.
    »Du weißt genau, was ich meine«, sagte Jane.
    »Ich weiß, was du meinst, Jane. Mir gefällt es hier. Ich mag die Leute. Ich mag das Leben, das wir führen.«
    »Aber«, sagte Jane.
    Ich zuckte die Achseln.
    Jane spürte es. »Das habe ich gemeint.«
    »Ich bin nicht unglücklich.«
    »Das habe ich auch nicht behauptet. Und ich weiß, dass du auch mit mir und Zoë nicht unglücklich bist. Wenn General Rybicki nicht aufgetaucht wäre, hättest du vielleicht nie gemerkt, dass du bereit bist weiterzuziehen.«
    Ich nickte und küsste sie auf den Hinterkopf. In diesem Punkt hatte sie recht.
    »Ich habe mit Zoë darüber geredet«, sagte Jane.
    »Was hat sie dazu gesagt?«
    »Ihr geht es genauso wie dir«, sagte Jane. »Es gefällt ihr hier, aber diese Welt ist nicht ihre Heimat. Ihr gefällt die Vorstellung, zu einer Kolonie zu gehen, die gerade gegründet wird.«
    »Das kommt ihrem Sinn für Abenteuer entgegen«, sagte ich.
    »Vielleicht. Hier gibt es nicht viele Abenteuer. Das ist ein Punkt, der mir an dieser Welt gefällt.«

    »Seltsam, so etwas aus dem Mund einer Soldatin der Spezialeinheit zu hören.«
    »Ich sage es, weil ich bei der Spezialeinheit war. Dort habe ich neun Jahre lang ohne Pause Abenteuer erlebt. Es ging gleich nach meiner Geburt los, und wenn ihr, du und Zoë, nicht gewesen wärt, hätte mich eins dieser Abenteuer das Leben gekostet. Dann hätte ich nie etwas anderes erlebt. Das Abenteuer wird im Allgemeinen viel zu sehr überschätzt.«
    »Aber du denkst trotzdem darüber nach, ob du noch ein paar erleben möchtest«, sagte ich.
    »Weil du darüber nachdenkst.«
    »Wir haben noch nichts entschieden. Wir könnten ablehnen. Dies ist deine Welt.«
    »Meine Welt ist dort, wo du bist«, wiederholte Jane meine Worte. »Dies ist meine Welt. Aber vielleicht könnte sie auch woanders sein. Bisher hatte ich nur diese Welt. Vielleicht habe

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