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Die letzte Kolonie

Titel: Die letzte Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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seine Verschlüsselung geknackt hat, und danach wäre man nicht mehr in der Lage gewesen, die Kommunikation des Feindes zu belauschen und von seinen Plänen zu erfahren. Zum Wohle aller ließ man die Bombardierung zu.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass Roanoke das Coventry der Kolonialen Union ist?«, fragte Jane.
    »Ich sage, dass wir einen unerbittlichen Feind haben, der uns alle töten will«, sagte Rybicki. »Und dass wir berücksichtigen müssen, was das Beste für die Menschheit ist. Für die gesamte Menschheit.«

    »Damit implizieren Sie, dass die Koloniale Union das tut, was das Beste für die Menschheit ist«, sagte ich.
    »Ich würde es vielleicht nicht auf die Goldwaage legen, aber was sie tut, ist besser als das, was alle anderen mit der Menschheit im Sinn haben«, sagte Rybicki.
    »Aber Sie glauben nicht, dass die KU wirklich das Beste für die Menschheit tut«, sagte Jane.
    »Das habe ich nicht gesagt!«
    »Aber gedacht«, sagte Jane.
    »Sie haben keine Ahnung, was ich denke«, sagte Rybicki.
    »Ich weiß ganz genau, was Sie denken«, sagte Jane. »Ich weiß, dass Sie hier sind, um uns zu sagen, dass die Koloniale Union keine Schiffe und Soldaten zu unserer Verteidigung erübrigen kann, sondern dass die Einheiten anderen Aufgaben zugeteilt wurden, die Sie für überflüssig oder unwichtig halten. Ich weiß, dass Sie uns diesbezüglich eine überzeugende Lüge auftischen sollen. Deswegen sind Sie persönlich gekommen, um der Lüge einen menschlicheren Anstrich zu geben. Und ich weiß, dass es Sie anwidert, so etwas tun zu müssen, aber es widert Sie noch viel mehr an, dass Sie sich auf so etwas eingelassen haben.«
    Rybicki starrte Jane mit offenem Mund an. Genauso wie ich.
    »Ich weiß, dass Sie glauben, es wäre dumm von der Kolonialen Union, wenn sie Roanoke dem Konklave opfert. Ich weiß, dass Sie wissen, dass es bereits Pläne gibt, unsere Vernichtung zu benutzen, um Soldaten in den Kolonien zu rekrutieren. Ich weiß, dass Sie glauben, dass Rekruten aus den Kolonien diese Welten verwundbarer machen, weil das Konklave dann einen Grund hat, auch die Zivilbevölkerung anzugreifen, um die Anzahl potenzieller Soldaten zu reduzieren. Ich weiß, dass Sie
dies als eine Art Endspiel für die Koloniale Union betrachten. Ich weiß, dass Sie glauben, die KU werde verlieren. Ich weiß, dass Sie sich Sorgen um John und mich machen, um diese Kolonie, um sich selbst, um die gesamte Menschheit. Ich weiß, dass Sie glauben, dass das alles unvermeidlich ist.«
    Rybicki saß eine ganze Weile schweigend da. »Sie scheinen eine Menge zu wissen«, sagte er schließlich.
    »Ich weiß genug«, sagte Jane. »Aber jetzt müssen wir das alles von Ihnen hören.«
    Rybicki schaute zu mir her und dann wieder auf Jane. Er sackte in sich zusammen und rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. »Was kann ich Ihnen noch sagen, was Sie nicht schon zu wissen scheinen? Die Koloniale Union wird nichts für Sie tun. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass man Ihnen irgendetwas gibt.« Er blickte Jane an, um zu sehen, ob sie ihm glaubte, aber sie starrte nur ausdruckslos vor sich hin. »Doch man hat entschieden, an den weiter entwickelten Kolonien die Stellung zu halten. Mir wurde gesagt, das wäre eine strategisch sinnvollere Nutzung unserer militärischen Streitkräfte. Ich sehe das anders, aber dieses Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Roanoke ist nicht die einzige neuere Kolonie, die ohne Schutz dasteht.«
    »Wir sind nur die einzige, von der man weiß, dass sie angegriffen werden soll«, sagte ich.
    »Ich soll Ihnen eine glaubwürdige Geschichte erzählen, warum wir Sie nicht besser verteidigen können«, sagte Rybicki. »Ich hatte mich für die entschieden, dass Ihr Hilfeersuchen mit der geknackten Verschlüsselung unsere Schiffe und Soldaten in Gefahr bringen würde. Sie hätte außerdem den Vorteil, dass sie durchaus wahr sein könnte« – bei diesen Worten blickte er Jane streng an -, »aber es ist im Wesentlichen eine vorgeschobene
Geschichte. Ich bin nicht nur gekommen, um ihr einen überzeugenderen Anstrich zu verleihen. Ich bin gekommen, weil ich finde, dass ich es Ihnen schuldig bin, es Ihnen von Angesicht zu Angesicht zu sagen.«
    »Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll, dass es für Sie angenehmer ist, uns aus nächster Nähe anzulügen statt von weit weg«, sagte ich.
    Rybicki lächelte verbittert. »Im Nachhinein betrachtet scheint es nicht eine meiner besten Entscheidungen gewesen zu sein.«

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