Die letzte Kolonie
Doch diese Überlegungen waren müßig. Weder hatten wir ein geeignetes Gewehr noch wollten wir, dass Eser starb, ganz gleich, was sonst noch geschah. Sein Tod war nicht Teil der Planung. Leider.
Während Eser sprach, suchte seine Leibwache die Umgebung ab und hielt nach Gefahren Ausschau. Ich hoffte, dass Jane es auf ihrer Position bemerkte. Offenbar waren nicht alle
Teilnehmer an diesem kleinen Abenteuer völlig inkompetent. Wehmütig bedauerte ich, dass ich sie nicht darauf hinweisen konnte, denn wir hielten Funkstille, weil wir die Überraschung nicht verraten wollten, bevor sie begonnen hatte.
Schließlich beendete Eser seine Ansprache, und die gesamte Kompanie seiner Soldaten setzte sich in Bewegung, in Richtung der Straße, die vom Feld nach Croatoan führte. Ein Trupp übernahm die Führung und sicherte die Umgebung, die Übrigen marschierten in Formation, aber ohne allzu viel Disziplin. Niemand erwartete größeren Widerstand.
Auf der Straße nach Croatoan würden sie auch nicht auf Widerstand stoßen. Die gesamte Kolonie war wach und wusste natürlich von der Invasion, aber wir hatten alle ermahnt, in ihren Häusern oder Schutzräumen zu bleiben und nichts zu unternehmen, während die Soldaten nach Croatoan vordrangen. Wir wollten, dass sie die Rolle der eingeschüchterten und verängstigten Kolonisten spielten, die sie angeblich waren. Für einige war das überhaupt kein Problem, doch andere mussten sich zusammenreißen. Die erste Gruppe hatten wir so sicher wie möglich untergebracht; die zweite sollte sich zurückhalten. Diesen Leuten hatten wir Aufgaben für später gegeben, falls es ein Später gab.
Ohne Zweifel suchte der führende Trupp die Umgebung mit Infrarot- und Wärmesensoren ab, um nach Heckenschützen oder Hinterhalten Ausschau zu halten. Doch sie würden lediglich Kolonisten finden, die an den Fenstern ihrer Häuser standen und in die Dunkelheit starrten, während die Soldaten vorbeimarschierten. Mit dem Fernglas konnte ich erkennen, dass mindestens ein Paar Kolonisten auf ihrer Veranda stand, um die Soldaten zu beobachten. Mennoniten. Sie waren Pazifisten, aber sie schienen wirklich vor nichts Angst zu haben.
Croatoan war im Wesentlichen so geblieben, wie wir angefangen hatten, als moderne Version eines römischen Legionslagers, immer noch mit den zwei Ringen aus Frachtcontainern als Palisade. Die meisten Kolonisten, die hier gelebt hatten, waren längst in ihre eigenen Häuser und Höfe gezogen, aber ein paar Leute wohnten immer noch im Dorf, einschließlich Jane, Zoë und mir. Außerdem waren ein paar dauerhaftere Gebäude errichtet worden, wo früher die Zelte gestanden hatten. Der Platz im Zentrum des Lagers war immer noch da, hinter dem Verwaltungsgebäude und vor einem kleinen Weg, der ihn begrenzte. Savitri stand mitten auf diesem Platz, ganz allein. Sie wäre der erste Mensch, den die arrisianischen Soldaten und Eser zu Gesicht bekommen würden – und hoffentlich auch der einzige.
Ich konnte Savitri von meinem Standort aus gut sehen. Der frühe Morgen war nicht kalt, aber sie zitterte sichtlich.
Der erste Trupp Soldaten erreichte den Rand von Croatoan und ließ die anderen anhalten, damit sie die Umgebung nach Fallen absuchen konnten. Das dauerte mehrere Minuten, aber schließlich waren sie überzeugt, dass es hier nichts gab, was ihnen schaden konnte. Dann setzten die Soldaten den Marsch fort, und wenig später trafen sie auf dem zentralen Platz ein. Savitri, die immer noch dort stand, schweigend und jetzt nur noch leicht zitternd, wurde misstrauisch beäugt. Nach kurzer Zeit befanden sich sämtliche Soldaten innerhalb der Frachtcontainerbarrikade rund um Croatoan.
Eser tauchte zwischen den Soldaten auf und baute sich mit seiner Wache vor Savitri auf. Mit einer Geste verlangte er nach einem Übersetzungsgerät.
»Ich bin Nerbros Eser«, sagte er.
»Ich bin Savitri Guntupalli«, sagte Savitri.
»Sie leiten diese Kolonie?«
»Nein.«
Daraufhin wackelte Eser mit den Augenstielen. »Wo sind die Führer dieser Kolonie?«
»Sie sind beschäftigt«, sagte Savitri. »Deshalb hat man mich geschickt, um mit Ihnen zu reden.«
»Und wer sind Sie?«
»Ich bin die Assistentin«, sagte Savitri.
Esers Augenstiele streckten sich wütend und wären fast gegeneinandergestoßen. »Ich habe die Macht, diese Kolonie komplett dem Erdboden gleichzumachen, und ihr Leiter schickt mir seine Assistentin ?« Falls Eser geplant hatte, sich nach seinem Sieg als großmütiger Held zu
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