Die letzte Kolonie
KSE die Daten manipuliert hat, bin ich als Expertin der Überzeugung, dass die Transkriptionen auf irgendeine Weise redigiert wurden. Vor einigen Tagen habe bei Ihnen die Mittel und die Genehmigung beantragt, um einen gründlicheren Scan durchführen zu können, doch bislang habe ich keine Antwort erhalten. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie in irgendeiner Form auf diesen Antrag reagieren würden.
Um Ihnen ein Beispiel zu geben, mit welcher Art von »Daten« wir uns derzeit begnügen müssen, übersende ich Ihnen diese Datei, der wir den inoffiziellen Titel »Sagans Tagebuch« gegeben haben. Sie ist eine Transkription mehrerer persönlicher Dateien aus dem BrainPal des ehemaligen KSE-Lieutenants Jane Sagan, die vergangene Woche aus dem Dienst entlassen wurde und die (eher ungewöhnliche) Entscheidung traf, sich auf der etablierten Kolonialwelt Huckleberry niederzulassen – und nicht auf Monroe, dem Planeten, der eigens für Angehörige der Spezialeinheit im Ruhestand reserviert wurde.
Diese Tagebucheinträge stammen aus den letzten Tagen, bevor Sagans Bewusstsein von ihrem alten Körper in einen standardmäßigen Menschenkörper transplantiert wurde. Ich muss Ihnen gegenüber nicht ausdrücklich betonen, dass BrainPal-Dateien langjähriger KSE-Angehöriger für die Zwecke der ADRI normalerweise eine Goldmine an Informationen darstellen, wenn die Betreffenden über Erfahrungen aus ihrer Dienstzeit reden und damit eine wertvolle Basis für weitere Analysen schaffen. Gerade Lt. Sagan ist eine potenzielle Fundgrube für Daten, da sie an mehreren entscheidenden
Schlachten und Einsätzen der letzten Jahre beteiligt war, vor allem an der 2. Schlacht von Coral und der Anarkiq-Offensive. Zweifellos handelt es sich dabei um Einsätze, die der Geheimhaltung unterliegen, aber ich möchte den Mitarbeitern der Spezialeinheit noch einmal in Erinnerung bringen, dass wir hier in der ADRI befugt sind, darin Einsicht zu nehmen.
Jedoch müssen wir mit datenarmen Fragmenten arbeiten, in denen Lt. Sagan offensichtlich über eine romantische Beziehung nachdenkt. (Oberflächliche Nachforschungen deuten darauf hin, dass es sich bei ihrem Partner um den KVA-Major John Perry handelt, der am gleichen Tag wie sie aus dem Dienst ausgeschieden ist und mit demselben Shuttle wie sie nach Huckleberry gebracht wurde, in Begleitung einer nicht verwandten Minderjährigen namens Zoë Boutin. Mehrere Dateien im Zusammenhang mit Perry und Boutin sind als streng geheim klassifiziert, weswegen ich hier anmerke, dass unsere Nachforschungen »oberflächlich« waren.)
Die Tagebuchdateien sind durchaus von einigem anthropologischen Interesse. Es ist schön zu wissen, dass Lt. Sagan verliebt ist, und Major Perry scheint sich deswegen glücklich schätzen zu können. Für unsere Zwecke jedoch sind diese Dateien so gut wie nutzlos. Die einzigen Informationen, die eine Auswertung lohnen, sind Sagans Bemerkungen zur 3. Schlacht von Provence und die Rettung der vom Unglück verfolgten Kompanie D von der Baton Rouge , worüber wir bereits eine Menge Informationen besitzen, dank der vielen BrainPals, die in Folge dieses Zwischenfalls zu uns gelangt sind. Ähnliches gilt für ihre Begegnung mit dem Kriegsgefangenen Cainen Suen Su, dessen Arbeit für die KVA zwar als geheim eingestuft, aber umfangreich dokumentiert ist. Doch darüber hinaus gibt es kaum verwertbare Daten.
Wenn ich offen sprechen darf, Colonel, muss ich infrage stellen, ob unsere Arbeit unter solchen Voraussetzungen überhaupt noch Sinn hat. Wenn die Spezialeinheit uns keinen ungehinderten Zugang zu den BrainPals gefallener und ausgeschiedener Soldaten gewährt, ist uns eine Auswertung der Daten kaum möglich. Wir bearbeiten monatlich Tausende von BrainPals, die von regulären KVA-Soldaten stammen, und bereits damit sind wir mehr als ausgelastet. Wenn wir uns besondere Mühe geben müssen, um gefälschte oder unvollständige Daten von der Spezialeinheit auszuwerten, fehlt uns die Zeit für die Gewinnung jener Daten, die für uns tatsächlich von Nutzen sind. Entweder arbeiten wir alle in dieser Sache zusammen, oder wir lassen es bleiben.
Colonel, bitte lesen Sie dieses »Tagebuch« durch. Ich bin davon überzeugt, dass Sie zur gleichen Schlussfolgerung gelangen wie wir hier unten in den Datenverarbeitungslabors. Dieses Tagebuch mag ein Fenster zu Lt. Sagans Seele öffnen, aber was wir wirklich brauchen, wäre ein Einblick in Lt. Sagans Geschichte. Ich hoffe, dass sie ihr weiteres Leben nach
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