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Die letzte Kolonie

Titel: Die letzte Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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sollen,
ohne dass ich sie mit der Bitte um Vergebung an mich und diese Welt kette.
    Was ich jenen schuldig bin, die ich töte, ist Verständnis. Ich schulde ihnen die Ehre der Anerkennung, dass sie etwas anderes waren als nur etwas, das ich tötete, um weiterziehen zu können und wieder etwas zu töten. Ich kann nicht jedes Wesen kennen, das ich tötete. Aber ich bilde mir nicht ein, dass sie mir nicht ebenbürtig waren. Sie hatten ihr eigenes Leben, und auf ihre Weise liebten, fürchteten, rätselten und hofften sie. Sie haben nicht erwartet, dass ich das Ende von all dem sein würde.
    Ich bilde mir nicht ein, dass sie alle nicht mehr waren als das Fleisch, das ich verwundete, die Knochen, die ich brach, das Blut, dass ich vergoss. Ich bilde mir nicht ein, dass es für sie keine Rolle mehr spielt, dass ihr Leben beendet wurde. Ich trauere um den Tod jener, die ich liebe, und ich bilde mir nicht ein, um jene, die ich töte, würde niemand trauern.
    Manche sehen das anders, und ich mache ihnen deswegen keinen Vorwurf. Jeder von uns tut, was er oder sie kann, um sich selbst und sein Tun anzunehmen. Aber wenn ich jene, die ich töte, herabsetze, setze ich mich selbst herab. Ich habe nicht genug von mir in mir, um es auf diese Weise verlieren zu können.
    Nach meiner ersten Mission erfuhr ich mehr über die Wumper: ihre Kultur, ihre Sitten, ihre Welt. Ich erfuhr von ihren Göttern und Dämonen, von ihren Mythen und Legenden und Geschichten. Ich erfuhr von ihrer Kunst und Musik und den Tänzen, die sie ohne Patrone als Tanzpartner aufführen. Ich wurde zu einer Expertin für die Wesen, die ich getötet hatte, und dadurch konnte der Wumper, den ich tanzen und sterben ließ, seinen Abschied von mir nehmen.

    Die nächsten Wesen, die ich töten sollte, lernte ich kennen, bevor ich sie tötete, wie ich es seitdem jedes Mal getan habe. Es wurde zu meiner Aufgabe, so viel wie möglich über jene zu erfahren, die wir bekämpften und töteten, um sie besser bekämpfen und sie besser töten zu können. Mein Bedürfnis, jene, deren Leben ich beende, kennenzulernen, zu verstehen und anzuerkennen, erhielt einen praktischen Nutzen.
    Es ist gut, zu mehr als nur zum Töten nütze zu sein. Es ist besser, zu wissen, dass ich jene, die ich töte, auf meine Weise ehre, wie sie hoffentlich auch mich ehren werden.

3
Sprechen
    Lass mich deinen Namen sagen. Lass mich die Bewegung meiner Zunge im Mund spüren, die gespannten Lippen und das leicht vorgeschobene Kinn, den Atem aus meinen Lungen, wie er sich zu Phonemen und Silben und Worten formt, bis sie einen Namen ergeben, der dich bedeutet. Zwei Namen von wunderbarer Nützlichkeit: um dich ins Gedächtnis zu rufen, um deine Aufmerksamkeit zu erhalten, um deine Identität auszusprechen und dich damit in deiner greifbaren Körperlichkeit zu bestätigen, voller Vibration und Wellen und Atem, mit der Intimität gesprochener Laute, mit dem Vergnügen, das der physische Akt bereitet, dich kundzutun.
    Lass mich deinen Namen sprechen und singen, eine geheime Melodie, deren Töne wie Vögel emporsteigen und in deine Ohren dringen, damit du dich mir zuwendest, mit einem Lächeln der Vorfreude auf dein eigenes verborgenes Lied, den Widerhall meines Namens. Lass mich deinen Namen sprechen, damit ich höre, wie mein Name von dir ausgesprochen wird.
    Du kannst dir die unglaubliche Sinnlichkeit des Sprechens nicht vorstellen, der du dein ganzes Leben lang gesprochen hast, der du Worte wie Brot in den Mund genommen hast, wie eine vertraute Lebenssubstanz auf deiner Zunge. Du kannst dir den Luxus des Sprechens nicht vorstellen, für jene von uns, die keine Zeit dafür haben, die wir unsere Worte beschleunigen, sie von Geist zu Geist senden, ohne Vermittlung, ohne die
kürzeste Pause zwischen Geist und Mund, um zu mäßigen, was wir sagen, oder um Kanten zu glätten.
    Ohne Worte zu sprechen ist schnell und billig, die Worte weder weise noch unbedacht wählen zu müssen, sondern sie ohne Rücksicht zu senden – nur Inhalt und kein Stil, nur Funktion und keine Form, nur das, was gesagt wurde, und nicht, wie es gesagt wurde. Ich spreche zu jenen, die ich kenne, von Geist zu Geist, effizient und zuverlässig. Wir sagen, was wir sagen müssen, und dann machen wir weiter mit dem, was wir machen. Worte haben für uns nicht die Bedeutung, die sie für dich und euch haben. Wir haben andere Möglichkeiten, unsere Emotionen, unsere Liebe, unser Mitgefühl zu übermitteln. Worte tragen für uns keine solche Bürde, sie

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