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Die letzte Kolonie

Titel: Die letzte Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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aussprechen können, selbst wenn wir gewollt hätten.
    Wir haben es nicht einmal versucht. Wir benannten sie nach ihrer Sprache, nach den Explosionslauten, mit denen sie sich verständigen und die die Luft erfüllten, wenn wir gegen sie kämpften, wie kräftige Schläge auf Haut. Sie waren lebende Trommeln mit Waffen.
    Wir nannten sie Wumper, und sie waren unsere Feinde, unsere Strafe für das Verbrechen, auf einer Welt zu landen, die wir als unseren Besitz beanspruchten, was ihren Widerspruch provozierte. Wir entsandten Botschafter, um mit ihnen zu verhandeln: die Kompanie D der 16. Brigade an Bord der Baton Rouge . Die Verhandlungen liefen nicht gut. Schließlich stürzte die Baton Rouge in einem Feuerregen durch die Atmosphäre; Metall und Menschen rasten durch den Himmel, und der Himmel rächte sich, indem er Schicht um Schicht vom Schiff schälte, bis sich alles in eine lange Aschespur verwandelt hatte. Die Mitglieder der Kompanie D, die sich auf der Kruste dieser Welt befanden, konnten nicht zum Abschied ihrer Kameraden aufblicken, weil sie mitten in einer Schlacht waren.

    Wir fanden, dass die Kompanie D ihr Schicksal verdient hatte. Die Verhandlungen waren eine Lüge und zudem schlecht geführt, mit unbeholfener Arroganz manövrierten sie sich selbst in die Enge und flehten um Hilfe. Wir nannten sie »Die Idioten«; wir hätten sie in den Tod gehen lassen, als beispielhafte Lektion der Inkompetenz, aber wir hatten kein Mitspracherecht. Wir fanden uns in einer Welt wieder, in der wir nicht hätten sein sollen, um jene zu retten, die nicht hätten gerettet werden sollen, und um jene zu töten, deren Leben wir nicht hätten nehmen sollen.
    Wir beschwerten uns nicht, denn zu diesem Zweck wurden wir gezüchtet. Aber dies änderte nichts an den Fakten. Meine erste Mission bestand darin, für andere zu kämpfen und diesen auferzwungenen Kampf zu meiner Aufgabe zu machen. Von der Kompanie D war nicht viel übrig, was wir hätten retten können – gerade genug, dass jemand den Sieg verkünden konnte, trotz der vielen Toten, die wir zurückließen.
    Ich werde nicht genauer auf diese Schlacht eingehen. Ich bin noch da, und das genügt mir.
    Das erste Wesen, das ich tötete, tanzte, als ich es tötete. Die Kraft der Patrone verteilte sich über seine Oberfläche, noch während sie die Körpermasse durchdrang. Es tanzte und drehte sich, es wand sich und stürzte, verspritzte Blut in einer Helixspirale, im Wechselspiel von Drehmoment und Schwerkraft, bis die Schwerkraft letztlich die Oberhand behielt. Es stürzte zu einer blutigen Masse zusammen, und ich wandte mich dem nächsten Gegner zu, erneut das Verb und die Handlung, erneut Bewegung und Ziel. Mein Körper in Aktion.
    Mein Geist blieb stehen, und in stillen Momenten kehrte er in den folgenden Tagen zum Tanz zurück, zur Drehung, zum
Sturz und zum Wump -Laut der Sterblichkeit, mit dem das Wesen niederging. Ich kehrte zu diesem Laut zurück und stellte mir vor, was er bedeuten mochte: ein Schmerzensschrei, ein Seufzer des Bedauerns, der Name einer Geliebten oder eines Bruders oder vielleicht einer Mutter, ein letzter Ruf zurück, der Abschied von jenem Wesen, das ihm das Leben geschenkt hatte, oder von jenen, die sein Leben mit Freude erfüllt hatten und die es in der noch verbleibenden Zeit nicht mehr wiedersehen würde.
    Ich habe die Aufzeichnung dieses Moments. Wenn ich wollte, könnte ich diesen Moment wieder beleben, den Laut übersetzen lassen und mir endlich sicher sein. Aber ich will es gar nicht wissen. Ich hatte dieses Wesen getötet. Es hat es verdient, dass seine letzten Worte an mir vorbeifliegen, um jene zu finden, für die sie bestimmt waren.

    Ich überlege, was ich jenen schuldig bin, die ich töte. Auf keinen Fall ihr Leben. Auch nicht das Andenken an jeden Toten. Ich habe viel zu viele getötet, um jedes einzelnen gedenken zu können. Meine Zeit mit fast allen von ihnen war viel zu kurz, um mehr zu registrieren, als dass sie tot sind und ich lebe, auch wenn der Unterschied zwischen Sieg und Niederlage auf beiden Seiten knapp war.
    Ich schulde ihnen keine Reue und kein schlechtes Gewissen. Ich habe getan, was ich getan habe. Ich weiß, was ich gut und was ich schlecht gemacht habe, und falls über mich geurteilt werden sollte, weiß ich selbst am besten, wofür man mich zur Rechenschaft ziehen könnte. Ich kenne meine Bilanz und werde jene, die ich tötete, nicht damit belasten. Wenn sie Seelen besitzen, mögen sie dorthin gehen, wohin sie gehen

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