Die letzte Kolonie
beobachte ich, wie sich deine Lippen schürzen, anspannen und zusammenpressen, während ich weiß, dass dieselben Bewegungen auch andere Zwecke
erfüllen können, und ich genieße die Erinnerung an diese anderen Zwecke.
Jetzt muss ich mich bei dir entschuldigen, weil ich auf deine Hände starre, die du zur Interpunktion einsetzt – eine weitere Sprachebene, um den Punkt zu verdeutlichen, von dem du glaubst, dass ich ihn mir anhöre, der jedoch in Wirklichkeit an mir vorbeifliegt und hinter mir an der Wand auf einem Haufen landet. Mir wird bewusst, dass ich mich untypisch verhalte, weil du gerade meine Ernsthaftigkeit und meine Konzentrationsfähigkeit schätzt. Du solltest wissen, dass ich ernsthaft und konzentriert bin, nur nicht in Bezug auf das Thema, das dich gerade beschäftigt. Es sind deine Hände, auf die sich meine Aufmerksamkeit konzentriert, ihre knappen und hackenden Bewegungen, die so sehr im Widerspruch zur überraschend fließenden Sanftheit stehen, wenn sie sich auf mir bewegen, und ihrer Stärke, wenn sie sich mit meinem Griff verbinden und mich hinunterdrücken, während du deinen Körper in mich hineindrückst.
Man könnte sich darüber streiten, wer von uns beiden stärker ist, aber darum geht es jetzt nicht. Deine Kraft ist ein Zeichen deines Willens und deiner Forderung, dass ich deinen Willen respektiere. Ich habe die gleiche Forderung gestellt, auf die gleiche Weise. Ich erinnere mich, dass auch du sie respektiert hast, die Hände verschränkt und gedrückt und wieder losgelassen hast, eine weitere Sprachebene, um einen Punkt zu unterstreichen, den ich hören will.
Ich muss mich noch einmal entschuldigen. Jetzt weiß ich gar nichts mehr. Ich bin so weit von dem abgedriftet, was du sagst, dass ich es mir nicht mehr ins Gedächtnis rufen kann. Außerdem bin ich ganz auf andere Dinge konzentriert, von denen ich dir bald erzählen werde. Es tut mir leid, dass ich
mich völlig in deinen Lippen und deinen Händen und der Erinnerung ihrer Berührungen verloren habe. Aber du sollst wissen, dass ich mich dafür entschuldigen werde, indem ich dich dazu bringe, sie zu dem Zweck einzusetzen, den ich für den besseren halte als den, zu dem du sie jetzt einsetzt. Ich glaube, du würdest mir darin zustimmen, dass der Zweck, den ich im Sinn habe, für alle Beteiligten insgesamt betrachtet der bessere ist.
Trotzdem muss ich mich für meine Unaufmerksamkeit entschuldigen. Ich entschuldige mich auch dafür, dass ich dich in diesem Moment überrasche, indem ich den Tisch wegstoße, der sich unpraktischerweise zwischen uns befindet. Und nun muss ich mich dafür entschuldigen, dass ich deinen Stuhl umwerfe, auf dem du immer noch sitzt, und dass dabei dein Hinterkopf auf den Boden schlägt. Ich werde mir alle Mühe geben, damit du deine Schmerzen so schnell wie möglich vergisst.
Der Sex mit dir ist völlig anders als jeder andere Sex, den ich hatte. Das sage ich nicht als eine jener rastlosen Jungfrauen in der Literatur, die von Ohnmachtsanfällen der Seligkeit fortgeschwemmt werden. Ich neige nicht zu Ohnmachtsanfällen. Du bist zwar sehr gut, aber nicht überwältigend gut; deine bloße Berührung genügt nicht, um mich in fantastische Regionen der Ekstase zu katapultieren – oder mit welchen lächerlichen Phrasen man auch immer eine solche Idee ausdrücken würde.
Sex ist weder eine heilige Sache noch eine physikalischer Vorgang, um eine andere Emotion zum Ausdruck zu bringen. Ich habe Sex, weil es mir Spaß macht und um die Tatsache zu
feiern, dass ich lebe. Ich verstehe, was mit »Liebe machen« gemeint ist, aber das scheint mir eine schlechte Methode zu sein. Ich habe nicht Sex, um meine Liebe zu zeigen. Ich zeige gerne meine Liebe, aber Sex ist eine ganz eigene Geschichte. Ich liebe dich, und ich liebe es, Sex mit dir zu haben, aber ich habe nicht das Bedürfnis, das eine mit dem anderen zu verwechseln. Beides ist wahr, und beides ist gut. Und ich bin völlig damit zufrieden, wenn es dabei bleibt.
Vor dir hatte ich nur Sex mit meinesgleichen, mit jenen, die wie ich geboren wurden, die wie ich kommunizieren, die genauso in der Lage sind, Empfindungen und Gefühle unverfälscht und in ihrer ganzen Bandbreite zu übermitteln, über denselben Kanal, auf dem wir mit Worten kommunizieren. Für uns ist Sex keineswegs eine rein körperliche Angelegenheit oder eine pantomimische Annäherung an das Wissen, dass das, was man tut, gut für jene ist, mit denen man es tut. Man spürt, was die anderen spüren,
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