Die letzte Kolonie
wir ihre Sorgen ernst nahmen. Dabei erwies sich meine Erfahrung als Ombudsman von unschätzbarem Wert. Nicht nur, weil ich mich mit der Beantwortung von Fragen und der Lösung von Problemen auskannte, sondern weil ich mehrere Jahre lang Menschen zugehört und ihnen zugesichert hatte, dass etwas geschehen würde. Am Ende der Woche in der Magellan kamen immer wieder Kolonisten zu mir, damit ich den Schiedsrichter bei Wetten und kleinlichen Streitfällen spielte. Ich fühlte mich in die Zeit auf Huckleberry zurückversetzt.
Die Fragerunden und die Beratungen einzelner Kolonisten waren auch für mich sehr nützlich. So bekam ich ein Gefühl, wer all diese Menschen waren und wie gut sie sich miteinander vertragen würden. Ich hielt nichts von Trujillos Theorie, dass die polyglotte Kolonie nur eine bürokratische Sabotagetaktik darstellte, aber ich machte mir auch nicht zu viele Illusionen, dass wir eine harmonische Gemeinschaft bilden würden. Am Tag, als die Magellan abflog, gab es mindestens einen Zwischenfall, bei dem ein paar Jugendliche von einer Welt versuchten, eine Schlägerei mit einer anderen Gruppe anzuzetteln. Es waren Gretchen Trujillo und Zoë, die die Jungen verspotteten und zur Vernunft brachten. Damit bewiesen sie, dass man nie die Macht der Verachtung jugendlicher Mädchen unterschätzen sollte, doch als Zoë beim Abendessen über den Vorfall berichtete, hörten Jan und ich sehr genau zu. Jugendliche verhielten sich oft idiotisch und dumm, aber gleichzeitig orientierten sie ihr Verhalten an den Signalen, die sie von den Erwachsenen empfingen.
Am nächsten Tag veranstalteten wir ein Völkerballturnier
für alle Jugendlichen, basierend auf der Vermutung, dass Völkerball in der einen oder anderen Form auf allen Kolonialwelten bekannt war. Wir steckten den kolonialen Repräsentanten, dass es nett wäre, wenn sie ihre jungen Leute dazu bringen könnten, bei der Aktion mitzumachen. Es kamen eine ganze Menge. Schließlich hatte die Magellan ihnen nicht allzu viel zu bieten, und einige langweilten sich schon nach dem ersten Tag. Wir stellten Achterteams zusammen, die wir streng nach Zufallskriterien auswählten, um beiläufig jeden Versuch zu durchkreuzen, sich nach den Herkunftswelten zu gruppieren. Dann stellten wir einen Spielplan auf, der schließlich kurz vor dem Skip nach Roanoke seinen Höhepunkt im Kampf um den Meistertitel finden sollte. Auf diese Weise waren die Jugendlichen beschäftigt und lernten ganz nebenbei ihre Altersgenossen aus den anderen Kolonien kennen.
Am Ende des ersten Spieltags kamen die Erwachsenen, um die Spiele als Zuschauer zu verfolgen. Schließlich gab es auch für sie nicht allzu viel zu tun. Am Ende des zweiten Tages sah ich, wie Erwachsene aus einer Kolonie mit Erwachsenen aus anderen Kolonien darüber diskutierten, welche Teams die besten Chancen hatten, in die nächste Runde zu kommen. Wir machten Fortschritte.
Am Ende des dritten Tages mussten Jane und ich einen illegalen Wettring zerschlagen. Na gut, wir machten nicht nur Fortschritte. Aber was sollten wir tun?
Weder Jane noch ich gaben sich der Illusion hin, wir könnten mit einem Völkerballturnier universelle Harmonie stiften. Das wäre eine zu große Verantwortung für eine Sportart, die mit einem springenden roten Ball gespielt wurde. Trujillos Sabotagetheorie ließ sich nicht mit einem gut gezielten Wurf aus der Welt schaffen. Aber ein klein wenig universelle Harmonie
war immer noch besser als gar nichts. Wir gaben uns vorläufig damit zufrieden, dass sich die Leute begegneten, miteinander sprachen und sich aneinander gewöhnten. Zumindest das erreichten wir mit unserer kleinen sportlichen Veranstaltung.
Nach dem großen Finale und der Preisverleihung – die unterschätzten »Drachen« hatten einen dramatischen Sieg über die bis dahin ungeschlagenen »Schleimpilze« errungen, die ich allein schon wegen ihres Namens bewundert hatte – blieben die meisten Kolonisten auf dem Freizeitdeck und warteten die verbleibenden Minuten bis zum Skip ab. Die Mehrfachbildschirme auf diesem Deck zeigten ausnahmslos den Blick in Flugrichtung der Magellan . Noch war es eine leere Schwärze, doch nach dem Skip würde sich dort Roanoke zeigen. Die Kolonisten waren aufgeregt und begeistert. Zoë hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, als sie die Stimmung mit einer Silvesterparty verglichen hatte.
»Wie lange noch?«, wollte Zoë von mir wissen.
Ich konsultierte meinen PDA. »Ups!«, sagte ich. »Nur noch eine Minute und
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