Die letzte Kolonie
Kolonisten hatten immer noch Bedenken wegen der Anwesenheit der Obin.
»Glauben Sie, dass das die Raubtiere sind, wegen denen Sie sich solche Sorgen gemacht haben?«, fragte Manfred Trujillo.
»Möglicherweise«, sagte Jane.
»Möglicherweise?«, wiederholte Trujillo.
»Die Pfoten passen zu den Abdrücken, die wir gesehen haben. Nur dass sie mir etwas zu klein vorkommen.«
»Aber etwas wie das hier könnte die Abdrücke hinterlassen haben, oder?«
»Das wäre gut möglich«, sagte Jane.
»Haben Sie größere Exemplare dieser Spezies gesehen?«, wollte Lee Chen wissen.
»Nein.« Jane blickte zu mir herüber. »Ich habe die letzten
drei Nächte die Wache übernommen, und vergangene Nacht haben wir zum ersten Mal gesehen, wie sich überhaupt etwas der Barrikade genähert hat.«
»Hiram, Sie waren fast jeden Tag außerhalb der Barriere«, sagte Trujillo. »Haben Sie schon einmal etwas Ähnliches gesehen?«
»Ich habe verschiedene Tiere gesehen«, sagte Hiram. »Aber es waren Pflanzenfresser, soweit ich das beurteilen konnte. Etwas Ähnliches wie dieses Tier ist mir nicht aufgefallen. Aber ich war auch nie bei Nacht draußen, und Verwalterin Sagan scheint zu glauben, dass diese Raubtiere nachtaktiv sind.«
»Aber mehr davon haben Sie nicht gesehen, oder?«, sagte Marie Black. »Also halten wir die Siedler zurück, weil wir Phantome sehen.«
»Die Kratzer und Löcher kamen mir sehr real vor«, sagte ich.
»Das will ich nicht abstreiten«, sagte Black. »Aber vielleicht waren es Einzelereignisse. Vielleicht kam vor mehreren Tagen zufällig ein Rudel dieser Tiere vorbei und war neugierig, was es mit der Barriere auf sich hat. Als sie merkten, dass sie nicht hindurchkamen, sind sie weitergezogen.«
»Das wäre gut möglich«, sagte Jane wieder. Doch an ihrem Tonfall bemerkte ich, dass sie nicht viel von Blacks Theorie hielt.
»Wie lange wollen wir die Siedler deswegen noch zurückhalten?«, fragte Paulo Gutierrez. »Einige meiner Leute drehen langsam durch, während sie untätig zusehen müssen, wie wir herumalbern. Seit einigen Tagen gehen sie sich wegen völlig idiotischer Dinge gegenseitig an die Gurgel. Dabei läuft uns allmählich die Zeit davon. Hier ist gerade Frühling, und wir sollten mit der Aussaat beginnen und die Weiden für das
Vieh vorbereiten. Wir haben bereits zwei Wochen lang unsere Vorräte verzehrt. Wenn wir nicht bald mit der Kolonisierung anfangen, stecken wir demnächst ganz tief in der Scheiße.«
»Wir haben nicht herumgealbert«, sagte ich. »Wir wurden auf einem Planeten abgesetzt, über den wir gar nichts wissen. Wir mussten uns zunächst vergewissern, dass es hier nichts gibt, was uns umbringen will.«
»Wir sind noch nicht tot«, sagte Trujillo. »Und das betrachte ich als gutes Zeichen. Paolo, halten Sie sich bitte für einen Moment zurück. Perry hat völlig recht. Wir konnten nicht einfach anfangen, auf diesem Planeten unsere Äcker zu bestellen. Aber auch Paolo hat recht, Perry. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir uns nicht mehr hinter einer Barrikade verstecken können. Sagan hatte drei Tage Zeit, um mehr über diese Tiere herauszufinden, und wir haben eins erlegt. Sicher, wir müssen vorsichtig sein. Und wir müssen Roanoke genauer studieren. Aber wir müssen auch mit der Kolonisierung beginnen.«
Der gesamte Rat sah mich an und wartete darauf, was ich dazu sagen würde. Ich warf Jane einen Blick zu, und sie antwortete mit einem kaum merklichen Achselzucken. Also war sie nicht völlig überzeugt, dass es da draußen eine reale Bedrohung gab. Abgesehen von einem getöteten Tier hatte sie nichts vorzuweisen. Und Trujillo hatte ebenfalls recht. Es wurde Zeit, mit der Kolonisierung zu beginnen.
»Einverstanden«, sagte ich.
»Du hast zugelassen, dass Trujillo dir die Gesprächsführung abnimmt«, sagte Jane, als wir uns für die Nacht fertig machten. Sie sprach leise, weil Zoë bereits schlief. Hickory und Dickory standen auf der anderen Seite der Trennwand im Verwaltungszelt.
Sie trugen Anzüge, die ihre Körper vollständig umschlossen und aus der ersten Lieferung des neu produzierten nanobotischen Netzes bestanden. Die Anzüge ließen keine Funksignale nach draußen durchsickern, aber sie machten auch wandelnde Schatten aus den beiden Obin. Vielleicht schliefen sie ebenfalls, was allerdings schwer zu sagen war.
»Das mag sein«, sagte ich. »Trujillo ist professioneller Politiker. Das wird er immer wieder tun. Vor allem, wenn er recht hat. Wir müssen wirklich
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