Die letzte Kolonie
Konklave genau in dem Moment treffen, wenn es seine Stärke demonstrieren wollte: wenn es versuchte, eine Kolonie auszulöschen. Eine von unseren Kolonien.
Nur die Koloniale Union hatte keine weiteren neuen Kolonien, denen die Auslöschung durch das Konklave drohte. Die zweitjüngste Kolonie, Everest, war nur wenige Wochen vor dem Verbot des Konklave gegründet worden, womit ihr keine Gefahr drohte. Also brauchte man eine neue Kolonialwelt.
Dann betrat Manfred Trujillo die Bühne, um seinen Kreuzzug zu führen. Das Ministerium für Kolonisation hatte ihn jahrelang ignoriert, aber nicht nur, weil die Ministerin ihn nicht ausstehen konnte. Man hatte schon vor längerer Zeit begriffen, dass die beste Möglichkeit, einen Planeten zu halten, darin bestand, ihn mit so vielen Menschen zu bevölkern, dass es unmöglich wurde, sie alle auf effektive Weise umzubringen. Die Bevölkerung der Kolonien wurde gebraucht, um mehr Kolonisten und nicht mehr Kolonien hervorzubringen. Die ließen sich mit Bevölkerungsüberschüssen auf der Erde gründen. Wenn das Konklave nicht auf den Plan getreten wäre, hätte Trujillo seine Kampagne bis zum Sanktnimmerleinstag fortsetzen können, ohne dass er auch nur das Geringste erreicht hätte.
Aber nun war Trujillos Plan plötzlich sinnvoll geworden. Die Koloniale Union hatte die Existenz des Konklave vor den Kolonien geheim gehalten, genau wie viele andere Dinge. Früher
oder später jedoch würden die Kolonien davon erfahren müssen, weil das Konklave einfach zu groß war, um sie auf Dauer ignorieren zu können. Die Koloniale Union wollte das Konklave ohne den leisesten Zweifel als Feind präsentieren. Außerdem wollte sie die Kolonien in den Kampf gegen das Konklave einbinden.
Weil die Koloniale Verteidigungsarmee aus Rekruten von der Erde bestand – und weil die KU die Kolonien ermutigte, sich hauptsächlich ihrer Lokalpolitik zu widmen und sich nicht um Angelegenheiten zu kümmern, die die KU als Ganzes betrafen -, dachten Kolonisten nur selten über Dinge nach, die über den Horizont ihres Planeten hinausgingen. Doch als Roanoke mit Kolonisten von den zehn bevölkerungsstärksten Kolonialwelten besiedelt wurde, stand diese Welt plötzlich im Mittelpunkt des Interesses von über der Hälfte der Menschen, die der Kolonialen Union angehörten. Und dasselbe galt demnach für den Kampf gegen das Konklave. Insgesamt war es eine elegante Lösung für einen ganzen Haufen von Problemen.
Trujillo wurde mitgeteilt, dass seine Initiative genehmigt worden sei, und im nächsten Moment nahm man sie ihm aus den Händen. Das geschah, weil Ministerin Bell ihn nicht ausstehen konnte. Aber es diente auch dem Zweck, ihn von jeder weiteren Einflussnahme auszuschließen. Trujillo war jedoch zu intelligent, um die Hinweise nicht deuten zu können, wenn sie so verstreut wurden, dass er dieser Spur folgen konnte. Außerdem wurde ein politischer Subtext eingeflochten, der die Gründungskolonien aufhetzte, miteinander um die Führungsrolle zu konkurrieren. Auf diese Weise wurde die Aufmerksamkeit von dem abgelenkt, was die KU tatsächlich mit der Kolonie im Sinn hatte.
Dann brachte man im letzten Moment noch zwei Verwalter
ins Spiel, und nun gab es in der Führungsriege von Roanoke niemanden mehr, der genug Durchblick hatte, um der KU auf die Schliche kommen zu können. Denn der Zweck dieser Kolonie bestand nur darin, Zeit zu schinden und eine Gelegenheit zu schaffen, um die Flotte des Konklave zu vernichten.
Die Zeit war von entscheidender Bedeutung. Als die Koloniale Union diesen Plan ausheckte, war es noch viel zu früh, um ihn in die Tat umzusetzen. Selbst wenn die KU schon etwas gegen das Konklave hätte ausrichten können, würden andere Völker, deren Kolonien von der Auflösung bedroht waren, nicht in die Fußstapfen der KU treten. Die KU brauchte Zeit, um Verbündete zu gewinnen. Und das klappte am besten, so entschied man, wenn diese Völker vorher ihre Kolonien verloren. Dann würden sie die unauffindbare Kolonie Roanoke als Beweis sehen, dass sich das mächtige Konklave an der Nase herumführen ließ. Die KU stärkte ihr Ansehen bei diesen Völkern und sammelte potenzielle Verbündete für den richtigen Moment.
Roanoke war auch ein Symbol für die unzufriedeneren Mitglieder des Konklave, die das Gefühl hatten, in ihre großartigen Pläne eingebunden zu werden, ohne etwas vom Nutzen zu spüren, den sie sich vom Beitritt erhofft hatten. Wenn die Menschen dem Konklave trotzen konnten und damit
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