Die letzte Lagune
die Principessa. «Das Glas wird dir
Unglück bringen, Dandolo.»
«Es hätte
schlimmer kommen können.»
«Drei Tote und
ein lädierter Ispettore sind schlimm genug, finde
ich.»
«Die
Krankenstation in der Kaserne von Fusina ist warm und
gemütlich», sagte Tron. «Und Bossi kann in ein
paar Tagen ins Ognissanti verlegt werden. Im Grunde hat er nur
diese Platzwunde am Kopf und einen verrenkten Halswirbel. Es sah
alles schlimmer aus, als es tatsächlich war.»
«Und
nun?»
Tron zuckte mit den
Achseln. «Muss ich die Angelegenheit ohne Bossi zu Ende
bringen. Wir können Contarini schlecht bitten, seinen Besuch
in der Casa
dei Tuffi so lange zu verschieben, bis Bossi
wieder auf dem Posten ist. Aber das alles dürfte kein Problem
sein.»
«Was dürfte
kein Problem sein?»
«Contarini zu
verhaften.»
Die Principessa
verdrehte die Augen. «Du meinst, weil er völlig
ungefährlich ist? Weil er nur drei brutale Morde begangen hat
und sofort mitkommt, wenn du ihn nur höflich bittest und an
sein christliches Gewissen appellierst?» Sie ließ ein
Lachen ertönen, das so klang, als würde ein Ertrinkender
verzweifelt nach Luft schnappen. Dann atmete sie tief ein und
pustete anschließend die Luft geräuschvoll
aus.
«Contarini», sagte
Tron kühl, «hat nicht die geringste Ahnung, dass wir ihm
auf der Spur sind. Er ist davon überzeugt, dass die
Ermittlungen gegen ihn eingestellt worden sind. Er wird also
völlig überrascht sein.»
«Was genau hast
du vor?»
«Irgendein altes
Glas unter den Bodenplatten der Casa dei Tuffi zu verstecken und
Contarini zu verhaften, wenn er mit dem Glas im Gepäck am Haus
der Albertis vorbeikommt.»
«Gut»,
sagte die Principessa. «Nehmen wir an, du hast Contarini
verhaftet, ihn nach Venedig überführt und ihn in eine
Arrestzelle gesteckt. Was passiert dann?» Sie machte eine
Pause. Als Tron schwieg, gab sie sich die Antwort selber.
«Sobald Spaur davon erfährt, wird er dich anweisen,
Contarini sofort wieder freizulassen. Ist das dann
alles?»
«Juristisch
betrachtet ist es nicht viel», musste Tron zugeben.
«Das weiß ich.»
«Das ist nichts, Tron», sagte die
Principessa.
Tron schüttelte
heftig den Kopf. «Du vergisst das
Entscheidende.»
«Und das
wäre?»
«Contarini
hätte sein Ziel nicht erreicht», sagte Tron. «Auch
wenn er weder vor Gericht gestellt noch verurteilt wird - für
ihn wäre die wichtigste Schlacht seines Lebens verloren. Ich
könnte ...» Tron musste plötzlich
lachen.
«Du
könntest was, Tron?»
«Das Glas vor
Contarinis Augen fallen lassen und den Scherben einen
Fußtritt verpassen», sagte Tron. «Und
erklären, dass es völlig richtig war, das
Nikodemusevangelium nicht in die Bibel aufzunehmen. Das wird ihm
den Rest geben.»
«Das würde
dich befriedigen?»
«Ja»,
sagte Tron. «Das würde mich sogar sehr befriedigen. Das
wäre eines der befriedigendsten Erlebnisse meines
Lebens.»
«Dann wirst du
es wohl so machen müssen», sagte die Principessa.
«Wo ist eigentlich das Glas? Das Glas, das Unglück
bringen wird?.»
«Oben im
Schlafzimmer.»
«Dann kann ja
Massouda den Gral zusammen mit dem Kaffee bringen», sagte die
Principessa.
Den Gral zusammen
mit dem Kaffee bringen. Das war hübsch formuliert,
fand Tron.
*
«Das Ding sieht
nach nichts aus», sagte die Principessa zehn Minuten
später, als Massouda das Tablett mit dem Kaffeeservice und dem
Gral auf den Tisch gestellt hatte.
Tron fand die
Bezeichnung Ding für ein Gefäß, in
dem sich das Blut des Herrn befunden haben könnte, etwas
unpassend. «Ein Splitter vom Kreuz Christi sieht auch nach
nichts aus», sagte er.
«Er sieht nach
Betrug aus», erwiderte die Principessa. «Und dieses
Glas hier ...» Sie nahm das Glas von dem Tablett und drehte
es hin und her wie eine Melone auf dem Gemüsemarkt. Würde
sie auch mit dem Knöchel daran klopfen, um das Alter
festzustellen? Nein, sie klopfte nicht. Stattdessen schnippte sie
mit dem Fingernagel dagegen und entlockte dem Glas ein
dumpfes KLACK. «Also, ich weiß
nicht», meinte sie schließlich.
«Was weißt
du nicht?»
Die Principessa wiegte
nachdenklich den Kopf. «Das Glas sieht erstaunlich gut
erhalten aus», sagte sie. «Immerhin ist es mindestens
siebenhundert Jahre alt - oder noch viel
älter.»
Tron zuckte die
Achseln. «Glas verwittert nicht.»
«Aber wenn es
sich tatsächlich um den Gral handelt», fuhr die
Principessa fort, «dürfte die propagandistische Wirkung
ungeheuer sein. Millionen von Menschen werden den
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