Die Letzte Liebe Meiner Mutter
hatte, ein McDonald’s nach Westberlin zu bekommen, am Checkpoint Charlie wenn möglich, damit bei Westwind der Duft herrlicher Hamburger über den Eisernen Vorhang wehen und die Bevölkerung der DDR an einem Royal Cheese und dem dazugehörigen Kapitalismus schnüffeln konnte, was über kurz oder lang zum unvermeidlichen Fall des Kommunismus führen musste. Die Neugier unserer Urlauber, dieses kulinarische Wunder einmal mit eigenen Augen zu sehen, war denn auch enorm, und alle dankten Rudy für seine geniale Idee.
Für Speis und Trank, fürs täglich Brot, wir danken dir, o Rudy.
Zurück im Bus jedoch, beim lautstarken Austausch ihrer persönlichen Eindrücke, fanden alle, dass das, was man bei McDonald’s servierte, höchstens ein besserer Hundefraß war.
Der Mann im Bierseidel-T-Shirt war als Erster am Tresen und hatte eine kleine Portion Fritten mit Bratensoße und Mayo bestellt, eine Currywurst Spezial und einen Fleischspieß mit Sauce andalouse, war vom Mädchen hinter der Theke jedoch angeguckt worden, als sei er einer streng bewachten Lepraklinik entsprungen. Die Fritten, und als Belgier konnten sie sich hierüber doch wohl ein Urteil erlauben, waren, soweit man diese Dinger überhaupt »Fritten« nennen konnte, aus den falschen Kartoffeln geschnitten, übrigens zu dünn, nur einmal – und dann auch noch dilettantisch – frittiert, in minderwertigem Fett und bei völlig falscher Temperatur. Außerdem bekam man diese verkrüppelten Dinger in einer winzigen Tüte und musste so viel dafür hinblättern wie für eine Riesenportion von Weltklasse in Belgien.
»Restaurant« nannte sich diese Futterstation auch noch, doch von Bedienung am Tisch keine Spur! Man musste sich anstellen, um endlich einem wegen Unterbezahlung hohläugigen Kind gegenüberzustehen, das von Fritten mit Bratensoße noch niemals gehört hatte. Lütticher Sirup? Eine Viandel? Kannten sie auch nicht. Und verlangte man Ketchup, waren sie zu faul, den drüberzugeben. Das musste man selbst tun. Abräumen übrigens auch. Einige Reisende wunderten sich, dass man nicht auch noch die Hamburger selbst braten musste! Bier gab es keins, das gehörte offenbar nicht zum erwünschten Image des Hauses. Amerikaner tranken kein Bier, gingen nie fremd, fluchten nicht und bauten immer auf Gott. Dafür jedoch tranken sie wahre Zuckerbomben an Limonade aus Pappbechern, groß wie Abfalleimer, in denen so riesige Eisbrocken trieben, dass eine Salmonellenvergiftung förmlich vorprogrammiert war. Das Personal trug karnevalsmäßige Hütchen, schrie sich Befehle zu und warf die Buletten samt Brötchen in Styropor-Schalen. Für vogelfrei erklärt, hatten sie ihre Namen stets deutlich lesbar auf den Shirts zu tragen, auch die Frauen, was die Aufmerksamkeit unwillkürlich auf ihre Brüste lenkte. Manchmal, so verrieten die Namensschilder, waren sie Floor Manager , dann wusste man schon: Diese Leute sind in Wirklichkeit gar nichts und werden dafür wahrscheinlich noch zehnmal schlechter bezahlt. Platz musste der hungrige Gast auf unbequemen Stühlen nehmen, an Tischen in kindischen Farben. Da konnte man dann feststellen, dass die Brötchen so weich waren, als hätten sie einen Tag in Spülwasser gelegen, dafür mit fünf, sechs Körnern bestreut, zum Zeichen, dass die Direktion um den Vitaminhaushalt des Kunden besorgt war. Der Hamburger selbst war mit einer verdächtig an Pappe erinnernden Käsescheibe belegt, um den Anblick der Mahlzeit weniger trostlos zu machen. Inzwischen bekam man Musik um die Ohren gehauen, die einem die Vorstellung einflößen sollte, man säße nicht in einem Autobahnrestaurant, nah einem sommerträgen französischen Nest, sondern irgendwo in einem spannenden Ghetto von Chicago.
»Und dabei hätt ich so leckere Brötchen mit Presskopf im Koffer!«
»Unglaublich«, mischte Wannes sich später im Bus in die Debatte, »dass ausgerechnet die Franzosen diesen Abfütterungsimperialismus bei sich im Land dulden. Wo sie doch sonst alles Französische auf ein Podest heben, das Raucherröcheln von Serge Gainsbourg und das Gestöhn von Brigitte Bardot als Höhepunkt der Musikgeschichte betrachten und Sänger aus anderen Sprachen, wie Afric Simone zum Beispiel, erst gar nicht für voll nehmen; grad sie, die die UNESCO terrorisieren, bis sie ihr Cassoulet als Kulturerbe der Menschheit anerkannt kriegen, die sich schon die Zähne nur mit Loireweinen putzen und Coca-Cola – völlig zu Recht! – so sehr verachten, dass sie nicht mal ihre klapprige Ente
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