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Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Titel: Die Letzte Liebe Meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Verhulst
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Mundwinkel schossen ihm nach hinten und die Tränen in die Augen, wie nicht mehr geschehen, seit er einmal verwegener Stimmung in einem thailändischen Restaurant auf gut Glück Gericht Nummer 23 bestellt hatte.
    Er dankte der Frau für das Glas Industriereiniger – ja, ja, ganz wunderbar habe es ihm geschmeckt, aber ein zweites wolle er jetzt lieber nicht, er wolle ihre Großzügigkeit nicht zu sehr strapazieren, außerdem vertrage er solch scharfe Sachen so früh am Tag nicht so gut.
    Martine jedoch hatte gegen einen zweiten Schluck nichts einzuwenden, auch wenn sie zunächst noch überlegt hatte zu sagen, der Arzt habe ihr den Alkohol verboten. »Und was du mir da eingeschenkt hast, was war das genau?«
    »Zwetschgenwasser! Das geht runter, was?«
    »Aber echt, Wahnsinn!«
    Es klang aufrichtig, und Martine war keine gute Schauspielerin.
    »Wenn ich dir einen Tipp geben darf«, fuhr der freundliche Koloss fort (und natürlich durfte sie ihren Tipp loswerden), »dann musst du damit mal eine Schwarzwälder Kirschtorte backen.«
    Schwarzwälder Kirschtorte, das hatte Martine noch nie gehört, obwohl sie sich in der Wunderwelt der Konditoreiwaren doch sonst so gut auskannte.
    »Du weißt nicht, was Schwarzwälder Kirschtorte ist? Oje, das geht ja gar nicht … Also, Schwarzwälder Kirschtorte ist eine Torte – dass es eine Torte ist, hast du dir schon gedacht, was? – mit eingelegten Kirschen – wenn’s irgend geht, nimm Schattenmorellen, dunkle Schokolade, sechs Eier und einen Dreiviertelliter Sahne – ich fass das jetzt nur mal ganz kurz zusammen. Aber das Geheimnis, das liegt im Zwetschgenwasser, das du in den Saft gibst, in den du die Kirschen einlegst. Im ›Kochbuch der katholischen Landfrau‹ steht ›vier Esslöffel Kirschlikör‹, aber ich kipp immer dreimal so viel Zwetschgenwasser hinein. Der Doktor meint, das verstopft meine Adern, Arterienverkalkung, verstehst du, aber dafür wird er ja bezahlt, dass er so was sagt. Wenn er was andres behaupten würde, müsste er sein Diplom bei der Ärztekammer zurückgeben, der kann auch nicht alles sagen, was er grad will … Fahrt ihr zum ersten Mal in den Schwarzwald? Ja? Das wird euch nicht leidtun. Ich garantier euch: Wer einmal hinfährt, kommt immer wieder. Glaubt mir. Na, wir sehn uns ja noch …«
    Und weg war sie, der nächsten zu verbrennenden Speiseröhre entgegen.
    Das war die Eröffnung, ein erster Zug. Wannes und Martine hatten mit jemandem geredet, über so was Privates wie Torte auch noch! Von all dem Gerede übers Essen hatte Martine natürlich wieder Hunger bekommen und machte in ihrer Handtasche noch etwas Platz, diesmal, wie sie hoffte, heimlich.
    Inzwischen hatte die erste Musikkassette den Busfahrer erreicht: Mit einem bunten Blumenstrauß , der Soundtrack zum besseren Bierfest, gesungen vom deutschen Hitwunder Freddy Breck. Keine drei Noten brauchte Freddy zu singen, und die versammelte Meute hakte sich unter und begann, im Schlagerrhythmus zu schunkeln und zu trällern: »Rote Rosen, rote Rosen, sind die ewigen Boten der Liebe …«
    Martine musste zugeben, dass Deutsch in der Tat nicht so schwer war, wie sie befürchtet hatte. »Rote Rosen sind die ewigen Boten der Liebe« – das verstand sie sofort. Wie schön dieser Freddy das sagen konnte!
    Der Mann vor ihnen rief entzückt, niemanden im Besonderen ansprechend: »Ist das nicht wundervoll? Ist das nicht allerreinste Poesie? Wenn man bedenkt, dass wir die deutsche Kultur einfach so hätten kriegen können, für nix und umsonst, und dass wir sie damals nicht wollten! Wir haben ja sogar unsere Armee mobilisiert und die Jungs in den Tod gehetzt, Frauen zu Witwen gemacht und Kinder zu Waisen – und warum? Um unser Land gegen ein bisschen Kultur zu verteidigen!« Und er schloss die Augen und versenkte sich wieder in das Libretto: »Aber leider, aber leider, ist auch nichts so vergänglich wie sie.«
    Ein Urlaub vergeht wie im Flug, oder er taugt nichts, also muss man jede Sekunde optimal nutzen. Daher griff man, als Seite A der Kassette zu Ende war, entschlossen zum Mikrophon, und die Witzerzählrunde begann. Alle Witze hier wiederzugeben würde zu weit führen, doch der erste enthielt die Worte »Gruppensex« und »Altersheim«, »rausgucken«, »reinkriegen« und »Mutter Oberin« und brachte den Busfahrer prompt derart zum Lachen, dass die Sicherheit der Fahrgäste für einen Moment ernsthaft gefährdet erschien.
    Auch Jimmy prustete los. Er konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Was

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