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Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Titel: Die Letzte Liebe Meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Verhulst
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wollte. Jedes Jahr lud er seine einzige Enkelin zu einer einwöchigen Busreise ein, jedes Mal mit einem anderen Ziel. Ja, auch sie fuhr also zum ersten Mal in den Schwarzwald und war schon sehr gespannt. Vor allem freute sie sich auf die Tagestour zum Höchenschwander Berg, wie sie gestand. Bei klarem Wetter könne man von dort, so stand es im Reiseführer, aber die übertrieben ja immer, sogar den Montblanc sehen.
    Den Montblanc kannte Jimmy. Seine Mutter hatte ein Puzzle davon, zweitausend Teile, das sie am Ende mit einem erleichterten Seufzer und schmerzenden Augen (»All das Weiß!«) mit Permanent-Puzzle-Fixierer auf eine Pappe geklebt hatte. Es war ihr letzter Berg gewesen, bevor ihre fanatische Katzenpuzzle-Periode begann.
    Wohlgemerkt: auch nicht einfach, so ein Katzenpuzzle, aber es war doch mehr Farbe, mehr Leben darin.
    Jimmy und Héloïse saßen nebeneinander im Bus, als sie in Deutschland einfuhren, und das taten sie auch, als knapp eine Woche später das Reich der Deutschen wieder im Rückspiegel versank. Er neben einem Mädchen! Einem vier Jahre älteren Mädchen! Einem vier Jahre älteren Mädchen, das sich auf die Besteigung des Höchenschwander Bergs freute!
    Sie fuhren durch Landschaften, in denen Limousin-Kühe grasten – dieselben, aus denen die deutschen Beefsteaks gemacht wurden. Die Fachwerkhäuser, die Storchennester, die barocken Klostertürme … mehr und mehr begann die Gegend den Fotos aus dem Reiseprospekt zu ähneln. Weit konnte Gasthof Knusperhaus nicht mehr sein. Und es wurde auch Zeit, höchste Zeit, dass man das Ziel der Reise erreichte.
    Martine, mit einem Satz, der leider zwei Silben zu lang war, um die erste Zeile eines Sonetts sein zu können: »O Mann, was tut mein Hintern weh, von all dem Sitzen!«
    Und Hunger hatte sie inzwischen auch wieder bekommen.

Kapitel 18
    Ü ber das Zimmer konnte man nicht meckern, ein Glück. Das war schon mal etwas, denn manchmal las oder hörte man von Hotelzimmern ja Geschichten, Junge, Junge. Wenn man nach denen ging, konnte man froh sein, wenn sich das Elend auf eine Kolonie Kakerlaken beschränkte. Mit solch einer Geschichte könnten Wannes und Martine nun also nicht nach Hause kommen. Nein, wenn etwas in Ordnung war, musste man das auch sagen. Ein freundliches Zimmer, das zwar etwas muffig roch, doch das würde sich geben, sobald Martine einmal richtig gelüftet hätte. Dann würde der Muffgeruch sich verziehen, und stattdessen kämen Mücken herein.
    Die Aussicht war nicht gerade spektakulär; eine ganz gewöhnliche Wiese, aus der man zum Beispiel nie ein Motiv für ein Puzzle machen könnte, aber nichtsdestotrotz eine hübsche Wiese, eine gewisse Ruhe ging von ihr aus, und alles war besser, als auf eine Autobahnauffahrt nebst hektischem Kreisverkehr schauen zu müssen, wie sie zu Hause.
    Das Zimmer hätte auch etwas größer sein können, doch wenn man bedachte, dass man doch nur zum Schlafen und zum Waschen hier war, ließ sich das verschmerzen.
    An drei Wänden hingen Reproduktionen abstrakter Gemälde, bei denen nicht klar war, ob der Urheber ein Mensch oder eine explodierte Dose Ravioli gewesen war. Unbestreitbar mutig vom Besitzer des Hotels, die Erwartungen der Gäste so zu durchbrechen und das Zimmer nicht mit zum Beispiel getrockneten Edelweiß zu dekorieren. Was für Tirol gut genug war, hätte für den Schwarzwald ja auch reichen können. All die Hässlichkeit an den Wänden hatte jedoch bestimmt nicht die Bohne mit den ästhetischen Überzeugungen des Hoteliers zu tun. Zweifellos hatte er etwas klarmachen, ein Gegengewicht zur reinen Natur vor dem Fenster schaffen wollen. Als ein perfekter Erzieher zur Demut stellte er den Menschen der Natur gegenüber. Ein Statement, das war das Wort, nach dem Wannes gesucht hatte.
    Bettwäsche war vorhanden, wie übrigens im Reiseprospekt schon versprochen. Dennoch bezog Martine alles neu, mit ihren eigenen Laken. Hatte sie das Zeug wenigstens nicht umsonst mitgenommen. Außerdem konnte sie bei ihrer Bettwäsche sicher sein, dass die bei der richtigen, bakterienabtötenden Temperatur gewaschen worden war. Sie hatte den Gedanken beruhigend gefunden, in ihrem eigenen, hygienischen Bettzeug zu schlafen, denn Hotelbetten – igitt, sie durfte gar nicht dran denken, wer da schon alles dringelegen hatte. Und vor allem: Was die da alles getrieben hatten, mit sich und mit anderen. Die Männer, behaart von oben bis unten, die … nein, Martine, Schluss jetzt, Kind, gar nicht dran denken …
    Angesichts

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