Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Jonge
Vom Netzwerk:
gezogen haben soll.«
    »Du hast noch Glück. Immerhin musst du ihm nicht dabei zusehen, wie er mit seinem Zigarrenstummel im Maul herumstolziert«, sagt Krekorian erleichtert, als O’Hara endlich wieder spricht.
    »Schließ die Tür ab und bleib in deinem Zimmer. Wir überlegen uns was. Das Einfachste ist vielleicht, wenn du morgen hierherkommst und zu Kreuze kriechst.«
    Kaum hat Krekorian aufgelegt, verlässt O’Hara das Gebäude über die Hintertreppe. Sie geht einen Straßenzug weit die Houston Street herunter bis zu American Apparel, wo sie Leggins, Socken, ein T-Shirt und eine Unterhose kauft. Dann geht sie schnellen Schrittes weiter Richtung Norden. In der East Fourth, zwischen der 1st und der 2nd Avenue befindet sich ein New York Sports Club und im Schaufenster im Erdgeschoss stehen ein Dutzend Laufbänder. Auf jedem joggt eine Frau. O’Hara blickt von draußen in das hell erleuchtete Innere und fühlt sich an Hoppers Gemälde von den Nachtschwärmern im Schnellrestaurant erinnert, das sie im vergangenen Sommer endlich zum ersten Mal im Original gesehen hatte. Die Frauen auf den Laufbändern sind wie die Gäste am Tresen. Obwohl nur wenige Zentimeter zwischen ihnen liegen, scheint eine jede völlig versunken in ihre eigenen, einsamen Stadtmenschgedanken.
    O’Haras Mitgliedsausweis für Riverdale gilt nicht in Manhattan, aber der Geschäftsführer gewährt ihr trotzdem einen Preisnachlass. Nachdem sie in ihre neuen Leggings geschlüpft ist, steigt O’Hara auf eines der Fahrräder, stellt »Stufe 3« ein und strampelt los. Trotzdem McLains Transporter mit der blutigen Matratze gefunden wurde, glaubt O’Hara nicht, dass er der Killer ist. Jemand, der sich erst seit drei Wochen in der Stadt aufhält, verklappt keine Leiche im East River Park. Es gibt Leute, die ihr ganzes Leben hier verbracht haben und den Park nicht kennen.
    Nach wenigen Minuten ist O’Hara im Nacken und im Gesicht tiefrot angelaufen. Dann beginnt sie zu schwitzen. Zehn Minuten später sind ihre Haare und ihr T-Shirt völlig durchnässt. Sie kann sich McLain immer noch nicht als Täter vorstellen, obwohl sie jetzt einräumen muss, dass McLain den Park gekannt haben könnte, wenn Pena dort trainiert hat. Sie schaltet auf »Stufe 6«, dann auf 9 und auf 11. Als sie bei 14 ankommt, spürt sie ihre Oberschenkel kaum noch und der Schweiß tropft ihr von der Nase.
    Als sie ihr Motelzimmer wieder betritt, ist die Hysterie verflogen, ausgeschwitzt wie Fieber. O’Hara setzt sich immer noch tropfnass an den Schreibtisch und starrt auf die Zeitachse auf dem Hotelbriefbogen. Die einzige noch freie weiße Stelle auf beiden Seiten befindet sich oben links in der Ecke auf der Rückseite. Sie schreibt drei Zeilen, um sich selbst Mut zu machen:
     
    Mach dir keine Sorgen darüber, was die anderen denken.
    Zieh durch, womit du begonnen hast.
    Du hast dir das Recht erworben, an dich selbst zu glauben.
     
    Zwanzig Minuten später sitzt O’Hara in ihrem Jetta auf der 44th Street und starrt durch die Windschutzscheibe auf die rote Markise des Harvard Club. Vom Wagen aus ruft sie im Club an und eine pakistanisch klingende Stimme nimmt den Anruf am Empfangsschalter entgegen. »Ich hab mal’ne Frage«, sagt O’Hara. »Ich hab morgen ganz früh was abzuliefern. Ab wie viel Uhr ist der Liefereingang bei euch geöffnet?«
    »Sechs Uhr früh.«
    »Danke, Captain. Und wo ist er?«
    »Das Gebäude erstreckt sich von der 44th bis zur 45th. Der Personaleingang ist in der 45th, links neben einem Restaurant namens Yakitori Taisho.«
    O’Hara fährt die 5th entlang, biegt in die Madison Avenue ein, dann wieder zurück auf die 45th. Sie parkt in zweiter Reihe vor einer schwarzen Stahltür. Als ein uniformierter Pförtner herauskommt und sich eine Zigarette anzündet, steigt O’Hara aus dem Wagen. Als er die Funken unter seiner Schuhsohle begräbt und wieder hineingeht, fängt O’Hara die Tür ab, bevor das Schloss zuschnappt. Sie hält die Tür eine Minute lang einen winzigen Spaltbreit geöffnet und tritt erst dann ein.
    O’Hara nimmt den Personalaufzug in den vierten Stock und geht einen Flur mit hellgründem Teppich und gestreifter Tapete entlang, die beide seit Jahrzehnten nicht mehr erneuert wurden. Zimmer 411 liegt auf der Südseite des Gebäudes, ganz in der Nähe der Fahrstühle. Ein Wagen mit Handtüchern und Toilettenpapier parkt neben der geöffneten Tür. O’Hara klopft sanft an und zeigt einem verängstigten, klapperdürren Zimmermädchen ihr

Weitere Kostenlose Bücher