Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
O’Hara und Krekorian Entonces die Handschellen erst hinten im Wagen an. Krekorian schaltet das Blaulicht auch erst ein, als sie die Fort Washington Avenue schon verlassen haben und im Schatten der George Washington Bridge in die Innenstadt rasen. Auf dem West Side Highway fährt Krekorian auf die freie rechte Spur und bleibt dort. Er fährt knapp 150 Sachen, während O’Hara über das Lenkrad hinweg auf das schwarze Eis im tödlich kalten Wasser und auf Jersey City und Hoboken am anderen Ufer blickt. An der 50th räumt die Sirene eine Spur im Innenstadtverkehr frei und wenige Minuten später fährt Krekorian in der Lexington 479 rechts ran und bremst scharf ab. O’Hara bietet an, gemeinsam mit Entonces im Wagen zu warten, aber Krekorian winkt ab. »Mach dir nichts vor, Dar«, sagt er. »Mit dem Beweismaterial auf dem Video wird es Delfinger nicht gelingen, durch die Maschen zu rutschen.«
O’Hara fährt im Fahrstuhl in den 37. Stock in die Kanzlei von Kane, Lubell, Falco und Ritter, wo rege Geschäftigkeit herrscht. Eine große hübsche Schwarze mit Headset, die sich hinter einem Mahagonibunker verschanzt hat, beäugt O’Hara misstrauisch.
»Ich muss mit Daniel Delfinger sprechen«, sagt O’Hara. »Sofort.«
»Ich fürchte, das ist unmöglich. Er ist im Klientengespräch.« Für 43 000 Dollar im Jahr darf man allerdings nur ein beschränktes Maß an Loyalität erwarten und als O’Hara ihre Dienstmarke zückt, leuchten die Augen der Empfangsdame.
»Los geht’s«, sagt O’Hara.
Mit Hüftschwung und klappernden Absätzen führt die Angestellte O’Hara durch eine Milchglastür in einen kleinen Flur. Vor der geschlossenen Tür von Konferenzraum 3 macht sie Halt. »Klopfen Sie an und gehen Sie hinein«, sagt O’Hara. »Ich folge direkt hinter Ihnen. Und gehen Sie erst, wenn ich auch gehe.« Die Tür öffnet sich und gibt den Blick frei auf einen langen, sehr teuer aussehenden Tisch. Die Sitzenden lassen gerade ein dickes weißes Dokument herumgehen, als handelte es sich um einen dicken, fetten Joint. Eine zierliche, elegant gekleidete Brünette hat gerade einen Finanzscherz gemacht, der die Anspannung kurz vor Ende der Versammlung lösen soll. Das Gekicher verebbt allmählich, als die Anwesenden die unvorhergesehene Störung mitbekommen.
»Geben Sie mir zwei Minuten, dann habe ich das geklärt«, sagt Delfinger und springt auf. »Ich bin gleich wieder da.«
»Das ist höchst unwahrscheinlich«, sagt O’Hara. Sie geht ihm bis zur Mitte des Raums entgegen und stößt ihn hart mit dem Gesicht nach unten auf die Tischplatte.
Anfangs wirken Delfingers Klienten beinahe ebenso schockiert wie er. Doch sie fassen sich rasch. Während O’Hara ihm Handschellen anlegt, klärt sie ihn über seine Rechte auf. Ein verkniffenes Lächeln macht sich in den Gesichtern der Klienten und in dem der Empfangsdame breit. Sie freuen sich mehr über die dramatischen Ereignisse, die den Büroalltag auflockern, als dass sie sich über die Störung ärgern.
»Warum wird er denn verhaftet?«, fragt die Brünette.
»Ihnen das zu erklären, bleibt ›Danny Boy‹ überlassen«, sagt O’Hara und zieht Delfinger an den gefesselten Händen vom Tisch. Doch obwohl seine Reputation bereits rettungslos ruiniert ist, kommt ihm kein Laut über die Lippen, geschweige denn ein ganzes Wort.
Mit der Empfangsdame vorneweg, die die Prozession anführt wie eine Majorette, schiebt O’Hara Delfinger den Gang entlang und in den Fahrstuhl hinein. Kaum hat sich die Tür geschlossen, sacken Delfinger die Beine weg. O’Hara beugt sich an sein Ohr, sagt: »Fick dich«, und lässt ihn am Boden liegen. Im 35. Stock steht ein Mann im Anzug schon mit einem Fuß im Aufzug. »Daniel?«, fragt er und verzieht sich wieder. Zwei Stockwerke tiefer hat ein Botenjunge weniger Bedenken und steigt gelassen über Delfingers ausgestreckte Beine.
Als sie in der Lobby unten ankommen, packt O’Hara eines von Delfingers Beinen und zieht ihn auf seinem Hintern über den schwarzen Marmorfußboden. Kurz vor dem Ausgang tritt Krekorian durch die Tür und zerrt ihn auf die Füße. Er schubst ihn zu Entonces auf den Rücksitz. Dann wirft er die Sirene an und steuert den Wagen durch den dichten Innenstadtverkehr.
Einige Straßen weiter dreht sich O’Hara zu den beiden mit Handschellen gefesselten Passagieren um. »Ich muss mich entschuldigen«, sagt O’Hara. »Ich war so in Gedanken, dass ich ganz vergessen habe, Sie einander vorzustellen. Tida, der Mann zu Ihrer Linken
Weitere Kostenlose Bücher