Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
Unternehmern und zur Regierung. Sie sitzt im Vorstand von zwei der umsatzstärksten Unternehmen des Landes. In Amerika zur Welt gekommen, stammt aber aus einer prominenten Hongkonger Familie. Ihr Mann war Russell Ming, Immobilienhändler. Besaß Häuser in New York und New Jersey. Er starb an einem Herzinfarkt, ungefähr zu der Zeit, als Jack verschwand.«
Für einen Moment blitzten Fagins Augen vergnügt.
» Herzinfarkt wegen der Schandtaten seines Sohnes?«, fragte ich.
» So erzählt man sich’s jedenfalls«, antwortete Fagin.
» Das ist nicht leicht zu verdauen für einen Jungen«, meinte ich.
Fagin gab einen abfälligen Laut von sich. Er hatte so viele beschädigte Jugendliche gesehen wie ein Sozialarbeiter. » Die Welt ist voll von harten Schicksalen. Wäre er bei mir gelandet, hätte ich ihn schützen können. Die Oliver Twists wurden noch nie geschnappt. Noch nie.«
» Gute Verbindungen zu Unternehmern und zur Regierung«, griff ich Fagins Bericht auf. Könnte ihn seine Mutter abschirmen oder den Kontakt zur CIA herstellen, sodass er spurlos verschwand? Es blieb mir nichts anderes übrig, als zu ihr zu gehen. Ich blickte zu Fagin auf.
» Würde Jack irgendwelche Hacker in der Stadt kontaktieren? Kannte er jemanden von deinen Oliver Twists?«
» Es wäre ziemlich riskant. Falls eine Belohnung auf ihn ausgesetzt ist, könnte ich ja auf die Idee kommen, sie zu kassieren.«
» Wenigstens bist du ehrlich, Fagin.«
» Bin auch stolz drauf.«
» Ich glaub trotzdem nicht, dass du ihn verpfeifen würdest. Du sprichst nicht so gern mit der Polizei.«
» Zu meiner Rechtfertigung muss ich sagen, sie reden auch nicht gern mit mir.«
» Wo wohnt Mrs. Ming?«
Fagin konsultierte eine Datenbank. Ich betrachtete das Foto von Mings Mutter: eine elegante Frau, in dieser beliebten Pose mit dem Finger am Kinn. Sie war hübsch, aber auf eine eher kalte Weise.
Er gab mir Mrs. Mings Adresse.
» Danke.«
» Das ist alles? Danke?«
» Du sagst niemandem, dass ich hier war, Fagin.«
» Würd mir nicht im Traum einfallen.«
» Sonst erzähle ich den Leuten, die Jack Ming suchen, dass du wahrscheinlich weißt, wo er sich aufhält. Und dann schicken sie mich zu dir, damit ich dich nach Informationen ausquetsche– und umbringe.«
» Du solltest dir Partner aussuchen, die mehr Niveau haben«, erwiderte Fagin. » Also wirklich, du brauchst jetzt nicht den brutalen Schläger zu spielen.«
» Sag mir noch eins: Hast du schon mal von einer Hackerin namens Leonie in Nevada gehört?«
» Leonie… ich mag Namen, die nach Miezekatze klingen«, sagte Fagin.
» Beantworte einfach meine Frage.«
» Nein. Aber weißt du, im Internet legen wir uns doch glatt andere Namen zu.« Er machte große Augen. » Schockierend, ich weiß.«
» Sie hilft Leuten, die untertauchen wollen. Sie handelt mit Hackern überall auf der Welt, um Informationen zu bekommen oder ihren Schützlingen neue Identitäten zu verschaffen.«
» Dann hackt sie nicht, sondern handelt mit Informationen. Sie wendet sich an einen Hacker für einen bestimmten Job, das nächste Geschäft macht sie mit einem anderen Hacker. So weiß man nie genau, woran sie arbeitet oder für wen.«
» Weißt du etwas über sie?« Ich zeigte ihm das Foto, das ich mit meinem Handy geknipst hatte, während sie schlief.
» Du hast sie wahrscheinlich gelangweilt, bis sie eingeschlafen ist, damit du das Foto machen kannst, stimmt’s?«
» Hast du sie schon mal gesehen?«
» Nein, aber sie sieht nicht übel aus.«
» Ist dir irgendwann eine gewisse Anna Tremaine untergekommen?«
Er dachte nach und schüttelte schließlich den Kopf.
» Und Novem Soles?«
» Klingt nach einem katholischen Kloster.«
» Das heißt Neun Sonnen. Hast du zufällig mal von einer Gruppe gehört, die sich so nennt?«
» Nein.«
Ich stand auf. » Danke für alles, Fagin.«
» Eins noch: viel Glück, Sam. Ich hoffe, du findest deinen Sohn.«
Er sah mir wohl an, wie überrascht ich war.
» Was ist? Kann ich dir nicht viel Glück wünschen?«
» Halt einfach dicht, Fagin, und erzähl keinem, dass ich hier war.«
» Ich steh keinen Eltern im Weg, die ihr Kind retten wollen. Ich stell mich nie zwischen Kinder und Eltern. Bei mir sind nur Jungs, um die sich keiner mehr kümmert.«
Fagin wartete, bis Sam draußen war, dann griff er zum Telefon. Sam Capra konnte ihm drohen, so viel er wollte, doch das Geld, um seine Rechnungen zu bezahlen, bekam Fagin nicht von ihm.
Er meldete das Gespräch, dann sah er
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