Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
Enttäuschung in den Augen seines Vaters hatten ihn tief getroffen. Sein Vater hatte sich an seinen Schreibtisch gesetzt, einen gelben Notizblock hervorgeholt und begonnen, seine Gedanken niederzuschreiben. » Wir müssen uns überlegen, wie es jetzt weitergeht. Deine Mutter … und ich …«
Sein Vater krampfte überrascht die Faust um den Hemdstoff über seinem Herzen. » Das ist… nicht gut…«, stammelte er, dann brach er auf dem Teppich zusammen.
Seine Mutter stürmte herein und schrie den Namen seines Vaters. Jack griff zum Telefon, wählte 9-1-1 und flehte, der Krankenwagen möge sich beeilen.
Er legte den Hörer auf, und seine Mutter sagte ganz ruhig: » Geh hinaus.«
» Der Krankenwagen kommt, Mom.«
» Geh hinaus.«
» Ich kann Dad doch nicht alleinlassen.«
» Du bist schuld mit deiner egoistischen Dummheit. Ich will dich nicht mehr sehen.« Sie kniete sich zu ihrem Mann; ihren Sohn schaute sie nicht mehr an. » Geh, sonst nimmt dich die Polizei fest.«
» Mom, ich kann Dad nicht im Stich lassen.«
» Im Gefängnis gibt es keine Computer. Es ist besser, du verschwindest jetzt.« Seltsam, ihre kalte Gelassenheit.
» Das ist mir egal.«
» Er ist tot.« Seine Mutter funkelte ihn so eindringlich an, dass es ihm Angst machte, denn was er in ihren Augen sah, war Hass. » Du hast ihn mir weggenommen. Geh. Geh mir aus den Augen, Jack. Ich will dich nie wiedersehen.«
Er hatte sich umgedreht und war weggerannt. Als er aus der Haustür kam, brauste der Krankenwagen schon mit Blaulicht heran, zu spät.
Seine Mutter stand in der Tür und beobachtete, wie er die Urne anstarrte. » Ich glaube, rein juristisch wäre es besser, du würdest dich gleich an einen Anwalt wenden.«
» Ich will einen Abend hier sein, Mom. Zu Hause. Bitte.«
» Natürlich.« Doch er hörte die Anspannung in dem einen Wort. Als wäre sie es, die Ärger bekäme. Sie kehrte in die Küche zurück, und er ging ihr nach.
» Ich pass auf, dass mich niemand sieht. Ich weiß, was du damals gesagt hast, aber wenn du mich nicht sehen wolltest, hättest du mich nicht reingelassen. Möchtest du nicht auch, dass wir noch ein bisschen Zeit miteinander haben?« Sie schwieg und wandte sich wieder der Kaffeemaschine zu.
» Natürlich«, sagte sie schließlich. Sie dachte wieder daran, was er getan hatte, das sah er ihr an ihrem verkniffenen Gesicht an. Doch was sie wusste, war gar nichts im Vergleich zu dem, was er sich in Amsterdam geleistet hatte. Zuerst hab ich für ziemlich üble Typen gehackt. Ich wusste nicht, wie schlimm sie waren, doch jetzt wollen sie mich umbringen, weil ich ein Notizbuch habe, das ihnen gefährlich werden kann. Ich verkaufe es an die CIA , dann siehst du mich nie wieder, Mom. Aber das wolltest du ja sowieso.
» Ich finde, wir sollten gleich morgen einen guten Strafverteidiger anrufen.«
» Du hast recht, Mom. Morgen, okay?«
Seine Mutter wandte sich ihm zu, ein unsicheres Lächeln auf den Lippen. » Ich hab recht? Das hab ich von dir noch nie gehört. Ich bin ja fast sprachlos.«
» Dann freu dich einfach, dass es so ist. Wenigstens ein Mal.«
Zu seiner Überraschung lachte sie. » Okay, dann genieße ich das Lob. Es freut mich, dich wiederzusehen, Jack. Wirklich.«
» Mom…«
Eine peinliche Stille breitete sich zwischen ihnen aus wie ein Vorhang. Sie schienen beide nicht recht zu wissen, was sie sagen sollten, um das Schweigen zu überbrücken.
» Ich hätte nicht nach Amsterdam gehen sollen, Mom.« Die Worte hingen in der Luft, und er hätte sie am liebsten wieder heruntergeholt und zurückgenommen. Was dachte er sich bloß dabei, ein solches Geständnis zu machen? Es war völlig unsinnig. Er war nur gekommen, um sich zu verabschieden, bevor er sich mit dem Geld der CIA nach Australien oder auf die Fidschi-Inseln absetzte, oder nach Thailand, egal wohin. Was erhoffte er sich denn noch? Sie wusste nicht, warum er hier war: weil er sie ein letztes Mal sehen musste. » Das Gefängnis wäre besser gewesen. Irgendwann hätte man mich entlassen. Jetzt werd ich nie frei sein.«
Sie schwieg, und die Kaffeemaschine blubberte in der Stille. » Welche Probleme hast du außerdem, Jack?«
Er spürte, wie es in ihm zu brodeln begann. Er blinzelte. » Ich hab keine Probleme, Mom. Also, keine neuen.« Er kämpfte dagegen an, doch die Verzweiflung stieg ihm in die Kehle.
» Lüg nicht, Jack. Ich weiß… ich hab dir früher nicht viel geholfen.« Sie knetete den Spüllappen in ihren Händen. » Lass mich dir jetzt
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