Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
glaub dir nicht. Ich weiß nicht, wer dir wichtiger ist– deine Partnerin oder deine Zielperson.«
» Ich will, dass keinem was passiert.«
» Dann sag mir, für wen du arbeitest.«
» Für niemanden«, beharrte ich. » Wir suchen Mrs. Mings Sohn.«
» Und du hast gedacht, ich bringe sie zu ihm?«
» War wohl ein Irrtum.«
Er lachte kurz. Ich war nun unbewaffnet, deshalb richtete er seine Waffen auf die beiden Frauen. Er spielte mit mir.
» Ich bin mir nicht sicher, wen du lieber lebend haben willst«, sagte er.
» Beide.« Drei Meter lagen zwischen uns, genug Zeit für ihn, um mich zu erschießen, falls ich etwas unternahm.
Ich wusste, dass er zumindest im Fall von Mrs. Ming bluffte. Er hatte sie hergebracht, um sie hier festzuhalten oder auszufragen, auf irgendjemandes Anweisung.
» Sind Sie von Novem Soles? Dann stehen wir nämlich auf derselben Seite, und das Ganze ist ein Missverständnis.« Mir kam der Gedanke, Anna könnte ein Kopfgeld auf Jack Ming ausgesetzt haben. Sie wollten ihn einfach nur beseitigen, es war ihnen egal, ob ich es tat oder ein anderer.
» Novem was?«
» Neun Sonnen.«
» Klingt wie ein Chinarestaurant.« Er musterte mich eingehend, während Mrs. Ming ihn mit hasserfüllten Augen ansah. » Außerdem stell ich hier die Fragen, nicht du. Wer ist deine Freundin?«
» Sie heißt Leonie.«
» Und wo finde ich Mila? Ich hab deiner Freundin ein bisschen auf den Zahn gefühlt, sie weiß es nicht.«
Eine Frage, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte. Was zum Teufel ging hier vor? » Ich hab keine Ahnung.«
Er richtete die Pistole auf Leonies Auge. » Ich will wissen, wo ich Mila finde.«
» Mila ruft mich an, wenn sie mir was zu sagen hat«, antwortete ich.
» Du sagst mir jetzt sofort, wie ich Mila finde, oder ich erschieße eine der beiden.« Er drückte die Pistolen hart gegen ihre Köpfe. Mrs. Ming stöhnte verzweifelt, Leonie biss sich auf die Lippe und sah mich an. » Die Frage ist, welche. Wir werden’s wissen, wenn ich abgedrückt hab. Auf fünf. Eins. Zwei. Drei.«
» Sie trifft sich manchmal in einer Bar mit mir«, sagte ich hastig. » Sie ruft an, sie sucht die Bar aus.«
» Was heißt manchmal?«
» Einmal die Woche, wenn ich in New York bin«, log ich. » Aber es geht immer von ihr aus, nie von mir.«
Er musterte mich eingehend. » Setz dich auf den Boden. Die Hände hinter den Rücken.«
Ich gehorchte. Er nahm die Waffe von Sandra Ming weg, steckte sie in sein Holster und zog stattdessen ein Handy hervor. Er wählte eine Nummer. » Ja«, sagte er auf Russisch, » ich habe ihn. Er sagt, die Frau trifft sich jede Woche mit ihm in einer Bar, aber sie ist es, die ihn anruft.« Er hörte eine halbe Minute zu. » Ja. In Ordnung.« Er beendete das Gespräch.
Es ist nicht so einfach, drei Gefangene zu bewachen, wenn einer davon nicht gefesselt ist. Er hielt mich in Schach, indem er die Frauen bedrohte. Sie waren meine Fesseln.
Doch er war selbst gefesselt, weil er nicht selbst bestimmen konnte, was er tat. Er musste jemanden anrufen und Anweisungen entgegennehmen. Um es zu verbergen, hatte er Russisch gesprochen. Ich sollte nicht wissen, dass er nicht der Boss war.
Doch er ließ die zweite Pistole im Holster, er glaubte, die Situation unter Kontrolle zu haben. Ich beobachtete ihn. Er beobachtete mich. Eine Minute verstrich. Noch eine. Er erschoss keinen von uns, er stellte keine weiteren Fragen und sagte auch nicht, wie es weiterging.
» Irgendwie langweilig, wenn keiner redet«, sagte ich.
Ihm schien es jedoch nichts auszumachen.
» Lass mich raten. Dein Boss hat gesagt, du sollst uns keine Fragen stellen.«
Er sah mich an.
» Du sollst nicht erfahren, was unsere Informationen wert sind. Sonst könntest du auf die Idee kommen, dir selbst einen Teil abzuzweigen.«
» Halt die Klappe«, erwiderte er. » Du nervst mich. Du hast nicht mal versucht zu kämpfen. Feigling.«
» Hat er dir gesagt, wie hoch das Kopfgeld auf Mila ist?«
» Halt die Klappe«, versetzte er erneut, diesmal jedoch nach kurzem Zögern.
» Wenn er hier ist, wirst du vermutlich nichts anderes tun, als die Gräber schaufeln«, stichelte ich weiter. » Ich wette, du kriegst nicht mal ein Prozent von dem, was er für Mila kassiert. Zahlt er dir einen Stundenlohn? Bestimmt bist du deswegen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten gekommen: um Gräber zu schaufeln, während dein Boss das große Geld macht, das er ohne deine Hilfe nie kriegen würde.«
Er starrte mich finster an. Sein Mund
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