Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
öffnete sich, und ein Speichelfaden zog sich zwischen den Lippen in die Länge.
» Er hat dir gesagt, du sollst auf uns aufpassen, bis er hier ist. Oder sie.« Ich schwieg für eine Minute. » Er hat dir auch nicht verraten, was Mrs. Mings Sohn einbringt, oder?«
Wieder starrte er mich nur schweigend an, doch ich sah, wie er schluckte.
Ich hatte ihm eine Schlinge um den Hals gelegt, und jetzt zog ich kräftig daran. » Auf Mila ist das höchste Kopfgeld ausgesetzt, das es je gegeben hat, mit Ausnahme von Staatsoberhäuptern oder Terroristen. Ich weiß, wie man an sie herankommt– aber du gibst die Informationen einfach an deine Bosse weiter und lässt sie den dicken Gewinn einstreichen? Dafür darfst du dann am Abend die Limousine waschen.«
» Ich wüsste ganz gern, wer diese Mila ist«, warf Leonie ein.
» Halt den Mund«, versetzte der Chauffeur. Er wandte sich wieder mir zu und lachte. » Was hättest du davon, wenn ich abkassiere und nicht mein Boss? Glaubst du, dann kommst du leichter mit dem Leben davon?«
» Mich hat auch mal ein Boss beschissen«, erklärte ich. » Ziemlich übel sogar. Seitdem mag ich keine Bosse mehr. Ich hab immer die Drecksarbeit gemacht, und sie haben abgesahnt. Mila ist mein Boss. Und ich hab keine Lust, für sie zu sterben.« Dann spielte ich den Trumpf aus. » Eine Million. Das ist das Kopfgeld für sie. Und ich kenne Leute, die mindestens eine Million, wenn nicht zwei, für Mrs. Mings Sohn zahlen würden. Er hat ihnen was gestohlen, und das wollen sie zurückhaben. Dein Boss wird sich auch diesen Gewinn unter den Nagel reißen.« Es blieb mir nichts anderes übrig, als zu improvisieren.
Er sah mich nur schweigend an.
Sein Handy klingelte erneut. » Ja?«, meldete er sich auf Russisch. » Ja, ich kann länger bleiben. Natürlich. Soll… soll ich ihnen auf den Zahn fühlen, ob sie was wissen?« Schweigen. » Ja, selbstverständlich.« Er trennte die Verbindung.
» Lass mich raten. Er will unbedingt verhindern, dass du mit uns sprichst«, sagte ich. » Ich hab mich also nicht getäuscht.«
» Er kommt bloß ein bisschen später.«
» Er will nicht, dass du weißt, was wir wissen. Er will den Kuchen nicht teilen.«
» Ich will nicht, dass dieser Mann sauer auf mich ist«, erwiderte er.
» Verstehe«, sagte ich. » Er hat die Macht. Und was hast du? Er kassiert drei Millionen Dollar. Eine Million für Mila, eine Million für den Jungen und eine Million für das, was der Junge gestohlen hat.«
Seine Lippen zuckten.
» Was soll das, zum Teufel noch mal?«, fuhr mich Leonie an. » Sei endlich still!« Sie funkelte mich zornig an, während ihr der Chauffeur die Pistole an den Kopf drückte.
» Wir zwei könnten einen Deal schließen«, schlug ich vor. » Du lässt die beiden laufen, und wir zwei holen uns das Kopfgeld. Zusammen.«
Er lachte. » Warum sollte ich dir trauen?«
» Weil ich die Wahrheit sage, und du glaubst mir auch, das spüre ich. Dein Boss sagt dir gar nichts, außer was du zu tun hast, und er überlässt dir den schwierigen Teil.« Mit besonderem Nachdruck fügte ich hinzu: » Du bist halt nur ein Laufbursche und kein Macher. Du willst die Dinge nicht selbst in die Hand nehmen.«
» Sei still, verdammt!«, versetzte Leonie.
» Du bist still!«, befahl der Mann. » Wenn ich sie laufen lasse, gehen sie zur Polizei.«
Es ist immer wieder amüsant, wenn ein nicht übermäßig intelligenter Mensch zu denken anfängt.
» Nein. Denn die Leute, die das Kopfgeld zahlen, haben ihre Kinder«, entgegnete ich. » Sie haben sie in der Hand. Die beiden werden nach Hause gehen und um ihre Kinder weinen.«
Manchmal passiert das Unerwartete. Manchmal wirkt ein Wort wie eine Bombe. Leonies Augen weiteten sich schockiert, ihr Unterkiefer zitterte. Sie drehte den Kopf, sodass die Pistole mitten auf ihre Stirn gerichtet war, und starrte den Mann an der Waffe vorbei an. Er erwiderte ihren Blick. Dann machte er den Fehler. Er blickte zu mir herüber. » Woher weiß ich, dass es stimmt, was du sagst?«
Lügen ist nicht schwer. Ich weiß nicht, warum die Psychologen so etwas behaupten. Lügen ist die einfachste Sache der Welt. Mit der Wahrheit ist es viel schwieriger. » Ruf deinen Boss an, und erzähl ihm, was ich dir gesagt habe«, schlug ich vor. » Sag ihm, du weißt jetzt, wo sich Mila aufhält und dass sie eine Million wert ist. Mal sehen, wie er reagiert. Welche Anweisung er dir dann gibt.«
» Wie wär’s, wenn ich die beiden ausschalte, und wir zwei machen einen
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